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Eigenarten der närrischen Schemen-Handschriften
22.01.2013
Von ROLAND SPRICH Südkurier
In Augenschein nehmen können die Besucher beim Schemeobed der Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet die handgeschnitzten Schemen des Brigachtaler Schemenschnitzers Wolfgang Jooß. Der vor 15 Jahren verstorbene Schnitzer geriet aufgrund seiner von Fachleuten als „höchste Vollendung“ bezeichneten Handwerkskunst in den Verdacht, mit einer Kopierfräse gearbeitet zu haben. Vor einer fachkundigen Jury bewies Jooß das Gegenteil. Bild: roland sprich


Bald springen sie wieder tausendfach durch die Straßen, die Villinger Narros mit ihren historischen Häsern und ihren wertvollen Schemen, unter der der Träger absolut unerkannt bleibt. Während sich die glatten Narroschemen für das ungeübte Auge sehr ähneln, erkennen Fachleute selbst kleinste Unterschiede.

Und jeder Schemenschnitzer hinterlässt unweigerlich seine eigene Handschrift, ähnlich wie ein Fingerabdruck. Beim Schemeobed der Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet beleuchteten die Experten in diesem Jahr ausgiebig das Handwerk des 1998 verstorbenen Schemenschnitzers Wolfgang Jooß aus Brigachtal.

Wie Redner Jonathan Riesle in seinem Vortrag sagte, kam Wolfgang Jooß über Umwege zur Schemenschnitzerei.
Der gelernte Schlosser und spätere Lokomotivführer entdeckte im Nachlass seines verstorbenen Onkels ein Büchlein, in dem von einem „biederen Schlossergesellen“ geschrieben stand, der in seiner Freizeit Fasnachtslarven schnitzt.
Sein Ehrgeiz war geweckt. Nach dem Motto „Was ein Schlossergeselle kann, muss ein Schlossermeister auch hinbekommen“ brachte er sich mit viel Fleiß und Ausdauer das Schnitzer-handwerk selbst bei. Nach ersten Erfolgen bei der Herstellung von Glattschemen, also dem Narro, wagte sich Jooß schon bald auch an die Charakterschemen Suribl, Murbele, Alt-Villingerin und auch Kinderschemen.

Binnen kurzer Zeit hat Wolfgang Jooß seine Schnitzkunst derart präzisiert und einen Grad der Vollendung erreicht, dass er Opfer von Neid und Missgunst wurde. Ein „Fachmann“ äußerte den Verdacht, Jooß könnte seine Schemen mit einer Kopierfräse hergestellt haben. Unter Aufsicht stellte Wolfgang Jooß das Gegenteil unter Beweis. Innerhalb von 14 Stunden schnitzte er unter den Augen einer mehrköpfigen Jury eine Scheme. „Je feiner und akkurater das Gesicht der Scheme wurde, umso länger wurde das Gesicht der Ratsherren“, wie Jonathan Riesle in seinem Vortrag sagte. Mit der Folge, dass durch diese Anekdote die Jooß'schen Schemen noch gefragter und wertvoller wurden.

Ein weiterer spannender Aspekt beim Schemeobed der Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet war eine „Stilkunde“.
Bildhauer Thomas Straub aus Pfaffenweiler, der mittlerweile in Köln lebt und arbeitet, schnitzt seit knapp fünf Jahren auch Villinger Schemen. Er erläuterte, was eine perfekte Scheme wie den Villinger Narro ausmacht: „Die Proportionen müssen stimmen.“ Er ordnete die Villinger Fasnachtsgesichter drei Kategorien zu. Der Narro verkörpere ein hohes Schönheitsideal und sei daher dem Idealismus zuzuordnen, während Portraitschemen wie Murbele und Suribel dem Bereich Naturalismus zugeordnet würden. Vom Expressionismus, der Figuren stark überzeichnet und ins Abstrakte abdriftet, sei der Villinger Narro größtenteils verschont geblieben. „Wobei auch schon einige Schemenschnitzer Ausflüge ins Abstrakte gemacht haben“, wie er schmunzelte.