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Villinger Narromarsch unter Plagiatsverdacht

Von ROLAND SPRICH Südkurier


Beim Schemeobed debattieren fachkundige Musiker über die Originalität des Narro-marsches. Mit erstaunlichen Ergebnissen.


Ist die Melodie des Villinger Narromarsches gar kein Unikat, das aus der Feder des Villinger Kapellmeisters Wilhelm Tempel stammt? Beweise dafür, dass sich Tempel, der von 1913 bis 1935 Dirigent der Villinger Stadtkapelle war, ungeniert an Melodien anderer Kompositionen bediente, liefern Philipp Eschbach und Elmar Feiß. Auch das Burgerlied wird in anderen Regionen im Südwesten Deutschlands in abgewandelter Form gesungen. Die beiden begaben sich auf Spurensuche, woher der Villinger Narromarsch stammt, und stellten das Ergebnis beim Schemeobed der Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet vor.

Elmar Feiß beleuchtete zunächst die Person Wilhelm Tempel. Der wurde 1880 in Lothringen im heutigen Elsaß geboren. Nach einer musikalischen Ausbildung an verschiedenen Blas-, Streich- und Tasteninstrumenten wurde er Militärmusiker und kam dadurch nach Villingen. 1913 über-nahm er die Leitung der Stadtkapelle, in der damals eine Handvoll Musiker spielte. Aufzeichnungen nach zu urteilen zeichnete sich Tempel zwar durch musikalische Erfolge mit der Kapelle, weniger aber durch seine Menschlichkeit aus. „Er führte die Musiker mit eiserner Hand zu Höchstleistungen“, so Feiß. Weswegen ihm offensichtlich 1935 die Leitung des Orchesters entzogen wurde.

1930 erhielt Tempel den Auftrag, einen Villinger Narromarsch zu komponieren. Dazu hängte er vor das bereits vorhandene Bürgerlied die altbekannte musikalische Einleitung. Philipp Eschbach, seit vielen Jahren Musiker unter anderem beim Musikverein Mönchweiler, entdeckte durch aufwändige Internetrecherche, dass sich Wilhelm Tempel dabei von anderen Melodien zumindest inspirieren ließ.
Anhand eines Tonbeispiels konnten die Zuhörer deutlich die Parallelen zu einem Werk des Komponisten und Theaterkapellmeisters Paul Lincke heraushören. Dessen um 1911 veröffentlichter Schlager „Am Bosporus“, einem Intermezzo aus „Hallo! Die große Revue“ weist über mehrere Takte hinweg nahezu identische Tonfolgen auf.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde der Villinger Narromarsch immer wieder modernisiert. Feiß und Eschbach spielten verschiedene Tonaufzeichnungen aus unterschiedlichen Jahrzehnten vor.
Neben einer Schellackaufnahme von 1953, die von der Stadtmusik damals in der Tonhalle aufgezeichnet wurde, bis zu einer Aufnahme von 1995, die Philipp Eschbach als „voll daneben“ bezeichnete, da hier das Tempo des Marsches gewaltig schwanke.

Um die unter anderem vom ehemaligen Dirigenten der Villinger Stadtharmonie, Wolfgang Kunzelmann, neu arrangierten Passagen zu verdeutlichen, spielte Eschbach die Unterschiede dabei auf der Trompete vor.