Vorwort zum Vortrag von T. Wöhrlin
Masken-bzw. Schemenkenner Josef Liebermann schrieb in den Kienzle-Blätter,
Jahrgang 1965, unter anderem folgendes: Der bedeutendste unter den
früheren und bis heute wohl nicht übertroffenen Meistern der
Maskenkunst ist der Ölmüller Dominikus Ackermann (1779-1835),
dessen Name zu einem Gattungsbegriff für die heitere Art geworden
ist. Es regt uns immer wieder zur Bewunderung an, wenn wir die Leistungen
dieses Naturgenies betrachten. Er hat den vorhandenen Ansätzen eine
gültige und bestimmende Richtung gegeben.
Soweit J. Liebermann".
Auch vor Ackermann gab es in Villingen bereits herausragende Schnitzer
wie z. B. Hermann und sogar Schnitzerschulen.
Doch es war Dominikus Ackermann, der wegweisend für die Art der Villinger
Narroscheme wurde. Aufbauend auf seinen Werken gab es über die Jahre
einige Schnitzer, die seinem Vorbild zumindest nahe kamen. Auf diese Weise
entwickelte sich in Villingen eine Maskenkunst auf höchstem Niveau.
Am Schemenabend 2012 würdigte die Arbeitsgemeinschaft Villinger
Fasnet einen Masken-schnitzer, der sich in der Tradition der Villinger
Maskenkunst einen hervorragenden Ruf und Namen gemacht hat - Traugott
Wöhrlin. Er kann zweifellos zu den Großen gezählt werden.
In seinem Buch '55 Jahre Villinger Schemen' hat er sein Werk dargestellt.
Über 50 Villinger Schemen von Wöhrlin waren beim diesjährigen
Schemenabend zu sehen. Zu diesem Anlass war Herr Wöhrlin bereit,
selbst einige Worte zu sagen. Sein Redebeitrag ist im Folgenden
nachzulesen:
(Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet)
geschnitzt: Traugott Wöhrlin
Schemeobed 2012,
Dass mer aneme Schemeobed im Jägerhaus en bestimmte Schnitzer zum
Thema macht, isch jo nix Neus. Aber dass der Schnitzer selber ebbis zu
sine Scheme sage sott, sel isch, glaub ich, doch neu. Bis jetzt waret
die Schnitzer nämlich, wenn mer sie vorgschtellt hät,
immer scho gstorbe. Aber ich leb jo no, au wenn bi mir noch mine
81 Johr smeischt vorbei sei dürft. Sympathisch isch mir die
Rolle als Redner heut obed allerdings nit arg, weil mer bi de eigene Sache
meischtens e weng befange isch un nie ganz objektiv si kann.
Die Frog isch aber, ob des überhaupt jemand sei kann. Erleichtert
wird min Vortrag allerdings, dass mer gmont hät, ich sott vor
allem ebbis über mei Verhältnis zu de Villinger Fasnet sage.
Sel isch zwor au e persönliche Sach un hät halt au wieder mit
de Scheme ztue, aber ebe nit bloß mit dene, wo ich gschnitzt
han.
Also: Was könnt do interessant sei `?
I dem Biechle über meine Schemeschnitzerei, wo vor zwei Johr erschiene
isch, kann mer nochlese, dass ich erscht 1952 im fortgschrittene
Alter vu 21 Johr aagfange han, en Villinger zwerre. Obwohl
die 15 km Brigachnab gi Donaueschinge eigentlich nu en Katzesprung sind
un mer do wie dert baaremerisch schwätzt, han ich i de erschte Johr
im Häs immer Angscht ghet, mer könnt mich a mim eschinger
Dialekt als Ausländer erkenne.
Hansele häts in Eschinge natürlich au gebe, aber die vu
Villinge waret mit ihrene weiße Kräge nomol ebbis ganz anders,
un ich glaub, ich hab erst hier aagfange, die Narrefigur genauer
zstudiere.
Vor allem dLarve oder, wie mer hier sagt, dScheme hän
mich interessiert. Ich han als Kind gar nit gwisst, dass die us
Holz sind, un wo ich des deno in Villinge gschnallt hab, war für
mich sofort klar, dass ich so ebbis au mol probiere mueß, weil ich
mir eibildet han, mit dem Material tät ich mich auskenne. Schließlich
han ich scho als Bue im Luftschutzkeller Krippefigürle gschnitzt
und i de schlechte Zeit Kochlöffel un Mehlschaufle für Baurefraue
un Spielsache für Baurekinder zum Tausche beim Hamschtere.
Un e Schreinerlehr han ich noch em Abitur jo au scho gmacht ghet,
sodass ich überzeugt war, ich wär jetzt en Holzfachmann und
wüsst, wie mer sWerkzeug scharf macht und des dät als
Voraussetzung zum Schemeschnitze scho lange.
E glatte Scheme so hab ich gmont - wär außerdem
ko so groß Problem wie en Suribel oder gar e Murbele.
Wie kilometerweit ich mit all dene Vorstellunge denebe glege bin,
sel han ich deno aber bald begriffe.Immerhin: mei erschte Scheme 1953
oder 54 isch zwor e ziemlich jämmerlichs Aafän-gerprodukt worre.
Aber nochdem sie vum Molerfuhrer mit viel Liebe aagmolt und mit
eme Kranzhoor vu sinere Frau dekoriert war, hät mer mit e weng Phantasie
un vil guetem Wille scho verrote könne, dass es het solle e Villinger
Narroscheme sei.
Wo sie bim Fuhrer i de Werkstatt ghängt isch, hät sich
sogar en mitleidige Liebhaber defür gfunde. Ich hab si denooch
nie meh gsäne un war mir ziemlich sicher, dass sie längst
irgendwo ineme Ofe glandet isch, bis si rund e halb Johrhundert
später hier bi om vu der erschte Schemeobed wieder uftaucht isch.
Vielleicht lebt si immer noch, bloß dät ich ihre jetzt halt
dringend roote, gottsname nimme uf dGass zgoh.
Dass ich noch selem erschte misslungene Versuch nit glei wieder mit em
Schnitze ufghört han, sel isch am Molerfuhrer glege.
Der hät mir zwor ganz schnell klar gmacht, was ich noch für
en kümmerliche Zwerg wär, indem er mi Scheme nebe sin Ölmüller
glegt hät, un mir dodemit zeigt,was ich alles erst noch mühsam
lerne müeßt, falls ich überhaupt je weiter käm. Aber
er hät au druf bestande, dass ich weitermach un zwor nit bloß
mit glatte Scheme, sondern au mit Suribel un Murbele.
Was en Suribel eigentlich isch, sel han ich domols um dMitte der
50er Johr noch nit so richtig begriffe ghet, aber e Glegeheit
für so e Scheme hät sich bald druf gebe. Ich war zu selere Zeit
noch Student a de TH Stuttgart und hab bi mine Vorlesunge normalerweis
fleißig mitgschribe. Aber oomol ineme uniteressante Nebefach
isch am End vu dere Vorlesung halt statt de Mit-schrift e Porträtbildle
vu selem Professor uf mim Schreibblock gsi, un des hät Ähnlichkeit
ghet mit dere Suribelvorstellung, wie ich sie noch de Vorbilder
vu de Neukumscheme im Kopf ghet han.
Um 1955 rum war der Typ fertig un isch wieder bim Molerfuhrer i de Werkstatt
ghängt. Au die Scheme het alsbald en Liebhaber gfunde
ebeso wie en ähnliche Typ e Johr oder zwei später.
De Molerfuhrer war, wie ich später rauskriegt hab, bekannt fürs
Experimentiere un hät viel übrig ghet für junge Leut.
Aber er war au verantwortungsbewusst, und als grundsolide, vorsichtige
Mensch hät er bald gmerkt, dass es nit guet wär, wemmer
mich zschnell un zvil lobt, weil ich de Bode unter der Füeß
verliere könnt, noch bevor ich richtig druf stand.
Drum hät er mich mit mine zwei Suribelscheme zum Josef Liebermann
gschickt. Der war Buch-händler un hät domols als absolute
Autorität in Sache Scheme ggolte. Ich hab vorher scho Ufsätz
vunem glese ghet, wo i de Schrifte vu de Badische Heimat
über dVillinger Fasnet erschiene sind.
Min Respekt vor dem Maa war riesegroß, un die Atmosphäre in
selem märchenhafte Biedermeier-Lade ganz unne uf de Rietstroß
wer- ich nie vergesse.
De Liebermann hät sich mini zwei Scheme ganz genau aaguckt vu allene
Seite un schließlich gmont, es wäret zweifellos Villinger
Suribel, aber ich sott ufpasse, dass ich nit bloß schräge Gsichter
mach mit en Haufe Falte und so, sondern Charaktermaske. Sel Wort isch
e paar mol gfalle und mir drum fest im Gedächtnis bliebe. Schließlich
sei en Suribel oder e Murbele so hot er gmont nit einfach
bloß irgend eine vu dene zahllose Hästrägermaske, wo i
de schwäbisch-alemannische Fasnet als angeblich historische Figure
so rumlaufed, sondern Theatermaske. Demit ich verschoh könnt was
er dodemit mont, sott ich mich mol e weng mir de italienische Commedia
dellarte beschäftige, no wäret mir die Unterschiede und
die typische Eigeschafte vu Narroscheme un Suribel- bzw. Murbelescheme
bald klar.
Leider war der Maa scho alt un isch bald gstorbe, was ich sehr bedauert
hab, denn ich het gern noch viel meh vunem erfahre.
Au bim Kurt Müller wars ähnlich. En Bsuch bei dem
hät ebefalls zum Pflichtprogramm ghört, wo ich laut Molerfuhrer
han absolvieren solle. De Müller war Rechtsanwalt und hät uf
de Insel a de Brigach gwohnt, gar nit weit vu mim Elterehaus im
Klosterring.. Er war en begeisterter Schemeforscher und Schemesammler
und hät sich en ganze lange Obed mit mir über alle mögliche
Villinger Scheme unterhalte, am meischte allerdings über de Ölmüller.
Ich kann des jetzt hier nit älles bringe, was ich dort erfahre hab,
un kumm vielleicht nochher ineme andere Zammenhang nochemol druf zruck..
Wichtig isch mer hier bloß, dass au der Müller ebbis vu de
italienische Commedia erwähnt hät. Ich hab mich drüber
gwunderet, dass des Thema scho wieder kunnt, bin der Sach aber nit
weiter nochgange, weil ich mir einfach nit hab könne vor-schtelle,
was des mit de Villinger Fasnet ztue habe sott.
Als denn später au no der Fuhrer un sogar noch der Säger-Richard
demit aagfange hond, war des für mich aber scho en Grund, tatsächlich
mol dem Thema nooch zgoh. Bloß wie?
I mim Lexikon isch nit viel drüber gstande. E Internet häts
domols no nit gebe un natürlich au kei Wikipedia. Un vum Werner Mezger
hät au no kon Mensch ebbis gwisst.
Die alte Villinger Stadthistoriker, de Professor Revellio, de Josef Honold
und de Dr. Nepomuk Häßler, mit dene ich wege minere Diplomarbeit
über dVillinger Stadtbaugschicht ztue ghet
han, hond bi dere Frog bloß de Kopf gschüttlet un gmont,
sie könntet mir ebbis vu de Villinger Gsellschafte der ehrsame
Müßiggänger verzelle, de Finkereiter,
de Schnabuliner und de Mordiner und natürlich
au viel vu alte Villinger Hiiser. Aber dFasnet wär nit ihre
Thema.
Un au de Bildhauer Robert Neukum, wo i sinere Werkstatt am alte Kapuzinerkloster
so wahnsinnig tolle Suribel gmacht hät, war zwor en interessante
Maa, aber für mich als neu-gierige junge Mensch gar nit ergiebig.
Es waret halt lauter alte Leut, wo au bald druf
weggstorbe sin. D.h. es isch e ganze Zeit vergange, bis ich sel
Thema mit dere Commedia han richtig studiere un begreife könne.
Defür isch mittlerweil ebbis ganz anders passiert:
Ich bin i de Sog vum Säger Richard groote. Seler war Schtammgast
bis Fuhrers un hät wahr-scheinlich gfunde, dass ich genau der
wär, wo sini Revoluzzervorstellungen vu Suribel verwirkliche könnt.
Dodezue mueß mer wisse, dass in selere Zeit die freundlich verschmitzte
oder spöttisch-lachende Suribel in Villinge Mode wore sin, un als
Trend aagsagt waret. Un sel hät em Säger überhaupt
nit passt. Wo der mini beide erschte grätige Suribel bim Fuhrer gsene
hät, war für den klar, dass ich noch meh und noch schrägere
Type vu dere Sorte mache könnt. Er hät mich mit jedere Menge
Vorlagefotos dezue versorgt, un ich hab des toll gfunde un sei Anerkennung
für en Beweis ghalte, dass ich uf eme guete Weg sei.
(Übrigens: bim letzte Schemeobed hab ich e weng vum de Säger-Richard
verzellt un dodebei zwangsläufig au ebbis über sei Verhältnis
zu mir und minere Schnitzerei. Im Zeitungsbericht über selen Schemeobed
hät mer hinterher lese könne, de Säger wär mit minere
Schnitzerei als nit einig gwese. Dodezue kann ich bloß sage,
dass des nit stimmt, weil de Säger bis uf ganz wenig Ausnahme mit
mine Sache zfride war oder sie sogar prima gfunde hät.
Sunsch hät ich jo nit uf dem Weg so lang weitergmacht.)
Wie weit ich mit mine Suribel domols vu de Villinger Schemetradition
weg war, han ich lang nit gmerkt, nit emol, wo ich bi de erste Schemeschnitzerobed
vu de Zunft uf eisige Ablehnung gstoße bin.
Em Säger Richard si Urteil war für mich maßgebender, weil
der (übrigens nit bloß bi mir) den Nimbus ghet hät,
er wär im Gegesatz zu dem neue, freundlichere Suribeltrend dVerkörperung
vu de alte Villinger Fasnet überhaupt.
Bestärkt i dere Aanahm hät mich die Tatsach, dass er nit nu
strenge un manchmol seltsame Idee-Vorlage aagscheppt het, sondern
immer wieder au alte, hischtorische Scheme, z.B. au interessante Barockscheme.
E bsunders schöne mit eme verschmitzte Puttogsichtle hät
de Fuhrer mol solle mit ere ziemlich ufwändige Kaseinfassung restauriere,
sodass sie e paar Woche binem i de Werkstatt ghängt isch.
Es hät mich gjuckt, auszprobiere, ob ich so e ähnlichs
Schemeli nit au naakrieg. De erscht Versuch war mäßig un hängt
seitdem bi mir dehom a de Wand; de zweit war besser, aber sel Schemeli
hängt seit fast 50 Johr bi mim Schwoger in Augsburg un will nimme
zruck nach Villinge.
Wo de Molerfuhrer 1972 gstorbe isch un e paar Jahr druf au der
Säger Richard, isch mir aber bald klar wore, wie isoliert ich war
un dass oner, wo mit sine Scheme e paar Johr lang so schräg aus der
Reih tanzt isch wie ich, sich nit wundere braucht, wenn er verantwortlich
gmacht wird für alle Scheme, wo in Villinge denebe grote
sind, egal, wer sie gmacht hät.
Ich war noh dra, des Hobby ganz a de Nagel zhänge, zumal domols
au grad e bsunderi Stress-phase i mim eigentliche Beruf a de Freiburger
Gwerbschuel aagfange hät, weil dert sganz Schuelsystem
hät mese umkremplet were un ich als oner vu de neue Direktore bis
über dOhre in selem Prozess eibunde war.
Aber erstens han ich mich bim Schemeschnitze immer kenne e weng vu de
berufliche Stress-toure runter bringe un zweitens häts de Zufall
welle, dass mir grad do e dicks Heft über di italienisch Commedia
dellarte i dFinger kumme isch, des, wonoch ich scho lang gsucht
ghet han.
Sel Heft isch zwor verschwunde, aber de Inhalt isch noch ganz genau i
mim Kopf, un ich han domols au glei kapiert, worum mir die alte Villinger
Fasnetskoryphäe des Thema so ans Herz glegt hon: Es goht nämlich
debei zwor nit um die einzig, aber jedefalls um oni vu de wichtigste Wurzle
vu de Villinger Fasnet un vu de alte bürgerlich-schtädtische
Fasnet hier in unsere Gegend überhaupt - anders als bei de Hästrägerfasnet
oder de Fasnet uf de Dörfer.
Bei de Commedia hät sichs um Schauspielertruppe ghandlet,
wo in Oberitalien und später au in Frankreich vu Stadt zu Stadt zoge
sind und uf de Stroße Stegreiftheater gspielt hond. Debei
waret dFigure immer die gleiche, uugfähr so wie bim Kasperletheater,
wo sich heut noch jeder us de Kinderziit a de Kasper, de Seppel, dGroßmutter,
de Polizist, de Teufel und sKrokodil erinnere kaa.
Bi de Commedia warets zwei Gruppe, wo gegenenander gspielt
hond: die Alte un die Junge. Die wichtigst Figur vu de Junge war de Arlecchino,
en verschlagene Lumpehund, wo nix im Kopf ghet hät als Fresse
un Saufe un Sex un, wos immer gange isch, sin Chef, de reich und
ebeso grätig wie geizig Pantalone, übers Ohr zhaue.
Sini Kumpane, de Buretrampel Brighella oder die e weng einfältig
Magd Colombine waret useme ähnliche Holz gschnitzt, älle
mitnand charakterlose aber lustige Type un deshalb meistens die Lieblinge
bim Publikum.
Die Alte waret degege lauter ausgsprochene Charaktertype: Nebem
Pantalone, dem reiche, uuzfridene Geizkrage, war do de besserwisserisch
und supergscheit Dottore oder de Capitano, wo überall mit sinene
Heldetate rumprahlt hät, un noch e paar andere, ähnliche Figure
us de bessere Gsellschaft.
Bei dene Alte hän die Schauspieler gern lokale Type us de jeweilige
Stadt ufs Korn gnomme, Persone, wo jeder kennt hät. Die
Junge degege waret Allerweltstype ohne Profil. Aber grad deswege hän
sie könne bsunders scharfi Sache loslau un bim Publikum als
Gaudimacher punkte.
Es isch klar, dass die Theatermodi au nach Österreich un Deutschland
nüber gschwappt isch, zumol die kulturelle Beziehunge zwische
Venedig und Wien bsunders eng waret. (Und die zwische Wien und Villinge
natürlich au). In Wien hät mer aber nit vu de Commedia
gschwätzt, sondern vum Hanswursttheater, au wenn sunsch alles
identisch war. Seler Name Hanswurst isch doher kumme, dass
die wichtigst Figur, de Arlecchino, ebe zu de Junge ghört hät.
Jung heißt uf Italienisch giovane. Dodraus
wird de Vorname Giovanni, un sel heißt uf deutsch Johannes
oder ebe Hans.
Un dodemit isch klar, worum die wichtigschte schwäbisch-alemannische
Narrefigure Hansele und nit Fritzele heißet. Un wemmer jetzt no
sieht, dass seler Hansel uf unserm Villinger Narrehäs als Bursch
abbildet isch, wo sim Maidli mit de Wurscht winkt, no verstoht mer sofort,
was gmont isch.
Wo ich des kapiert han, war mir uf oomol au klar, wie des mit de Alte
un de Junge in unsere Fasnet verteilt isch un weli Rolle so en uuzfriede
Suribel oder so e alt Murbele im Gegesatz zumene Narro spiele sott...
un au, worum fast älle vu dene ältere Charakterscheme in Villinge
- anders als Narroscheme - Name hond: de Weberigel, de Schlossbuur, de
Stachelfranz, de Narrevater,...oder bi de Murbele: dZacherlies,
dHolle-Ageth, dMilchseppe oder sSali.
Un verstande han ich uf eimol au, worum in de alte amtliche Notize vu
de Villinger Fasnet nie vu Narre oder gar vu Hästräger, sondern
immer nu vu Masqueras dRed isch, also vu Leut, wo sich für
bestimmte Rolle verkleidet hond.
Bis uugfähr zum zweite Weltkrieg war unser Städtli jo
no überschaubar un eigentlich hät jeder jeden kennt, sodass
Porträtscheme, wo uf e bestimmte Person bezoge waret, au no en Sinn
ghet hon.
Scho vor em erschte Weltkrieg un erscht recht ab de 30er Johr, wo mit
de Industrie en Haufe neue Leut i dStadt kumme sind, hät sich
des gänderet und deswege hät de alt Liebermann mir so
dringend grote, ich sott koni Gsichter mache, sondern Charaktermaske,
Type halt, wo nit bloß oo Person verkörperet, sondern ganz
allgemein e Charakterfigur. Un ich han begriffe, dass unser Strähle
eigentlich nix anders isch als dFortsetzung vum alte Stegreiftheaterschpiel.
Aber des isch jo hier älles bekannt, un ich kann nu sage, wie guet
ichs find, dass es dodezue seit Johre zVillinge regelrechte
Trainingskurse fürs Strähle gibt, wo om des zeigt wird,
wies goht, un wo mer hoffentlich au gsagt kriegt, dass des
Narretreibe noch em Umzug wichtiger wär wies Rumsitze i de
Narrestüble un mindeschtens genauso wichtig, wie de Umzug.
Wo ich also uugfähr um 1979/80 rum endlich begriffe han, wie
die Rolleverteilung zwische der Villinger Schemetype funktioniere sott
un was mit eme Suribel un eme Murbele gmont isch, hät für
mich sozusage e neue Ära als Schemeschnitzer aagfange un ich
hab deswege domols au als Zeiche für en Neuanfang mei Monogramm uf
de Inneseit vu de Scheme abgändert.
Aber schpäteschtens do kunnt die Frog, wie macht mer eigentlich
e Charakterscheme?
Aaregunge dezue gibts jo gnueg: z.B. im Fernsehe in Form vu
Politikerköpf inere Talkschow, i de Illustrierte oder am Stammtisch.
Im Grund findet mer so ebbis überall... Bloß, wie wird doodrus
en Suribel oder e Murbele, wo als Typ überzeugt, wo scho vu selber
schwätzt, wo bim Strähle nit verletzt oder abstoßend isch
un trotzdem Biss hät, wo de Maschgere dehinter scho weng e bestimmte
Rolle vorgibt? ....Un vor allem: wie macht mer Scheme, dene mer nit vorwerfe
kann, sie tätet bloß andere interessante und in Villinge populäre
Type noochahme oder gar kopiere?
Mit Schnitzekönne allei isch es do nit erledigt. Charakterstudie
un e wenig psychologische Anatomie sind hier mindestens genau so wichtig.
SAllerwichtigscht aber isch e Charakteridee, wo om interessiert.
Ohne die kanns au ko gscheite Scheme gebe. Uns weil om so
e Idee nit uf Knopfdruck kunnt, gibts halt beim Suribel- und Murbeleschnitze
oft längere Pause, manchmol e Johr oder noch meh..
Des isch au de Grund, worum ich seit 30 Johr nimme noch Ufträg schnitz,
sondern bloß noch, wenn mich e Idee für so e Scheme beschäftigt.
Skann sei, dass ich deno 2, 3 oder noch meh Anläuf brauch,
bis so e Idee ausglutscht isch und nix me hergibt. Und dann isch
jo immer noch lang nit gsagt, dass sich jede Charekterscheme für
jeden Kopf bzw. jeden Maschgeretyp eignet, weil mer jo rauskriege mueß,
ob der oder die Maschgere die Roll au spiele kann, wo in de Scheme
vorgebe isch.
Dass ich do mit alle meine Charakterköpf, vu de letzte 30 Johr rundrum
zfriede wär, sel kann ich allerdings nit behaupte, au wenn
seither sicher koni Ausrutscher meh passiert sind.
Jedefalls sind aber au nit ganz wenig Sache debei, die ich für glunge
halt un vu dene ich mon, sie miesstet sich i de Villinger Schemetradition
als Charakterköpf nit verstecke. Im Gegeteil: Suribel und Murbele
so wie ich sie ebe verstand: Uuzfridene Rummäckerer, spöttische
Besser-wisser, Misanthrope, Skeptiker oder hinterhältige Stichler
un Prolete; bi de Murbele verständige Mütterle un Wäschwiiber
ebeso wie Giftspritze, alefänzige Schwätztante oder Gouvernantetype,
alles, was do an Charaktertype als Kontrast zum aalglatte, schöne
Narro halt so denkbar isch.
De Josef Liebermann hät die ganz Skala vu Möglichkeite scho
1933 / 34 in eim vu sine Ufsätz vorgschtellt. DNarrozunft hät
sie mon ich au scho mol irgendwo abdruckt.
Ich find, mer sott dSchemeschnitzer un au die amtliche Kritiker
un Ufpasser vu de Zunft immer mol wieder dodra erinnere, weil die Frog
Wer oder Was isch eigentlich en Surhebel oder e Murbele?
im Grund wichtiger wär, als des oder sel Detail anere Scheme.
Wenn als mol ebber vu mir e Scheme habe will, schwätzemer au do drüber
un meischtens ziemlich lang.
Aber ich sott jo no wenig ebbis zu de glatte Scheme sage. Die hond bei
mir vu Aafang a e bsundere Roll gpielt, weil ich sie so schön
gfunde hab.
Nit dass ich für die barocke Puttogsichter un Brettlischeme
us em 18. Johrhundert ko Interesse ghet hät. Wer regel-mäßig
hierher zu de Schemeobende kunnt, der weiß jo, dass es do wunderbare
Sache drunter gibt. Un ich han wie bereits erwähnt
mich jo au scho mol probehalber mit somene Barockgsichtle beschäftigt.
Aber richtig fasziniert hon mich eigentlich nu dScheme vum Ölmüller
un sine direkte Nochfolger: Bregel bzw. Josef Ummenhofer und Wilhelm Sieber.
Seit selem lange private Schemeobed bim Rechtsanwalt Müller hät
mich des nimme losglosse: der eigeartig Ausdruck vu dene Scheme: Nit männlich
und nit weiblich, ohne e erkennbars Alter, lächelt nit un isch doch
nit unfreundlich, schwätzt nit un isch doch nit stumm, un des alles
in allem einfach nu schön, harmonisch un ästhetisch, e vollkommenes
Gsicht un gleizeitig e perfekte Maske, wie si maskehafter nit sii
könnt.
De Kurt Müller hät mir do viel vum Leonardo un selem sini Frauegsichter
verzehlt, vor allem vu de Mona Lisa. Ich hab des domols zwor übertriebe
gfunde, aber später festgschtellt dass es do tatsächlich
Parallele gibt.
Viel meh hät mich beschäftigt, dass vu dene rund 12 oder15
Ölmüllerscheme, wo ich selber han könne studiere (angeblich
gibts ca. 30), alle verschiede gsii sin un trotzdem in Bezug
uf die Aura alle gleich.
Dass de Olmüller i de Biedermeierzeit glebt hät un nimme
im Barock und sich folglich au a de klassizistischantike Vorbilder orientiert
hät, so, wie sini große internationale Bildhauerkollege Schadow,
Thorwaldsen, Dannecker oder Canova, sel war mir scho länger klar.
Aber worum hät der so radikal alles abglegt, was au nu e klei
weng a di alt Tradition us de Zeit vu vor 1800 erinneret hät?
Mir isch do ebbis ufgfalle, was des erkläre könnt: Mer
weiß jo, dass dFasnet bi de Obrigkeit immer scho als anstößig
ggolte hät, un unter em Kaiser Josef II., dem Sohn vu de Maria
Theresia, hät des no zugnomme. Aber radikal am End wars mit
de Fasnet erscht, als Villinge mitsamt ganz Vorderösterreich badisch
worre isch.
De Großherzog in Karlsruh war Protestant und ohne jedes Verständnis
für so en Blödsinn wie Fasnet. 1809 war sie total verbote, was
für dVillinger natürlich e Katastroph bedeutet hät.
Nachdem alle Eingabe an dRegierungspräsidente vergeblich waret,
hond dVillinger i de letzte Not e Delegation us honorige Bürger
direkt zum Großherzog nach Karlsruhe gschickt un dem vortrage,
dass die hiesig Fasnet kon Blödsinn wär, sondern e Stück
Kultur mit ere ewig lange Tradition, dass de Handel und sGewerbe
devu profitiere tätet un dass im Übrige so lang mer denke könnt,
noch nie e Verbreche oder sunsch ebbis Schlimms im Zsammehang mit
de Fasnet passiert sei. De Großherzog hät sich tatsächlich
umstimme loo un dFasnet wieder erlaubt, allerdings unter strenge
Uflage (Des muss um 1812 oder so gwese sei. Mer kanns in der Villinger
Fasnetchronik vu 1984 nochlese).
Es war verlangt, dass die Fasnet e absolut aaständigs Gsicht habe
müsst, dass nix an die derbe Forme vu früher erinnere dürft
und alles an die zivilisiert Kultur vu de neue Zeit angepasst sein müsst.
Ob de Dominik Ackermann us de Ölmühle scho vor selem Erlass
Narroscheme gschnitzt hät, sel weiß ich nit, un au nit,
wie die falls es so war uusgsene hond.
Uf jede Fall hon sini Scheme nooch 1812 in jedere Hinsicht de neue Fasnetsvorschrifte
ent-sproche un waret mit Sicherheit die muschtergültigste un ästhetischste
Scheme im ganze Land. Noch minere Ansicht sind si des bliebe bis heut.
Wo de Ölmüller 1836 57 jährig gschtorbe isch, war
de Josef Ummehofer (Bregel) grad 23 Johr alt und hät wahrscheinlich
scho mit Schnitze aagfange ghet.
Er hät jedefalls em Ölmüller si ästhetischs Konzept
übernomme ohne dass er ihn kopiert hät. Un bim Wilhelm Sieber
nochemol e Generation später wars genau so. Wer
vu dene drei jetzt die schönschte Scheme gmacht het, dodrüber
kann mer streite.
Es isch en Jammer, dass die meischte vu dene Klassiker heut irgendwo inere
Sammlung an de Wand hänget und nimme uf dGass gond.
Des trifft au für min Favorit zu: e kleine Buebescheme vum Bregel.
Sie ghört zu de Sammlung vum Kurt Müller, un seli hängt
seit e paar Johr im Fasnachtsmuseum im Schloss Langenstein im Hegau hinter
Glas. Kopiere kann mer seli Kostbarkeite also nit, was ich ganz guet find.
Aber mer kann sie jedefalls studiere, un mer sott sie au studiere, vielleicht
sogar e weng auswendig lerne (falls mer des kaa) un sich uf jede Fall
vu ihre Ästhetik begeistere losse.
No sieht mer sie nämlich beim Schemeschnitze und beim Schemefasse,
wenn mer dAuge zumacht, als Maßstab vor sich.
Und des was debei rauskunnt, isch deno zwar immer wieder e weng anders
un zeigt dHand-schrift vum jeweilige Schnitzer, aber immer im ästhetische
Rahme vu de Ölmüllertradition. Ich bin mir ziemlich sicher,
dass des de Bregel un de Wilhelm Sieber au nit anders gmacht hond.
Un ich kann feststelle dass des bi mir nooch de soundsovielte glatte Scheme
immer noch spannend isch, weil des Ergebnis im Voraus nu uugfähr
aber nie 100 prozentig feststoht und die kleine zwangsläufige Unterschiede
Stoff lieferet für stundelange Unterhaltungen mit Villinger Schemespezialiste.
Meine kurze Ausflüg in de 70er und 80er Johr zu de Eschinger und
Rottweiler Larve hond eigentlich bloß den Zweck ghet, rauszfinde,
wo de Unterschied zu dene schöne Villinger Scheme isch. Im Fall Rottweil
isch sel jo klar, und bei de Eschinger Larve hab ichs au entdeckt.
Doch die Details tätet jetzt hier de Rahme sprenge.
Un au min kurze Ausflug in die tibetisch Maskewelt wär e total fremds
Thema und ghört deswege nit doher, obwohls do
mer kann sichs kaum vorstelle erstaunliche Parallele zu de
Villinger Fasnet gibt. Hier bleibet meine anderthalb Versuche nu e kleine
Verzierung am Rand.
Dodemit wär ich eigentlich am End vu mim Vortrag. Aber ich möchte,
bevor ich ganz ufhör, doch nochmol kurz zruckkumme zum Schloss
Langenstein.
Ich werd dort jedesmol mit e me Thema konfrontiert, des mir immer wieder
tief unter dHaut goht. Ich habs bereits erwähnt, dass
die ganz Schemesammlung vum Kurt Müller vor etliche Johr dert na
kumme isch. Die nähere Umständ spielet im Moment ko Roll.
Zu selere Sammlung hät als Paradestück ebe au der Ölmüller
ghört, wo ich bi mim Bsuech Ende der 50er Johr han derfe
aagucke und zum Studiere in dHand nehme, e ganz bsunders schöne
Scheme. Sgibt in Villinge e bekannte ältere Postkart,
wo sie abbildet isch.
Wo ich vor e paar Johr serscht Mol nach Langenstein kumme bin,
hab ich selen Ölmüller natürlich wieder sene welle, hab
en aber nit gfunde.
Defür isch dert e kunststoffmäßig glänzigi, unnormal
hell un nagelneu fremdartig gfasste Scheme ghängt mit
eme e Schildle drunter, wo behauptet hät, des sott der Ölmuller
sii, noch dem ich suech. Mich hät schier de Schlag troffe. Ich weiß
nit, was für en barbarische Mensch sich aagmaßt hät,
vu selem Ölmüller die alt Fassung rabzmache un durch e
total fremde zersetze. Selbst bei e paar Macke an de eigentlich
noch erhaltene alte Fassung hät de Respekt vor some Stück jedem
aaständige Mensch so e entstellende Modernisierungstortur müsse
verbiete.
Leider sind so Sache koni Einzelfäll un es isch bei zwei oder drei
Scheme vu mir au scho sGleiche passiert, was mich tief troffe hät.
Aber immerhin waret des bloß unbedeutende Scheme vu mir.
Bi selere Ölmüllerscheme vu Langenstein gohts aber um
e Stück Villinger Kultur, un do isch so e zerstörerische und
ebeso dumme wie aamaßende Barbarei i mine Auge einfach nit zum Verzeihe.
Am liebste tät ich vu Mord spreche, aber sel tät mer deno mir
wieder nit verzeihe.
Mit dere Bemerkung isch zumindest klar, dass dFasnet oder jedefalls
de kulturell Rahme devu für de Wöhrlin e ernste Sach isch, wo
sich lohnt, dass mer e guets Stück vum Lebe draahängt, wenn
au bloß als Hobby.
Un dodemit hät ich eigentlich sWichtigst gsagt, was
mir so zum Thema Wöhrlin un Villinger Scheme eigfalle
isch.
Traugott Wöhrlin, 27. Januar 2012
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