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Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet Vortrag von Karl Haas am 19. Nov. 1999 beim Rollen-Obed über: "Schellen, Glocken und Rollen in der Fasnacht" Wir wollen uns heute einmal über die Rollen des Villinger Narros
Gedanken machen. Eines ist sicher: Je mehr Fragen im Vorfeld geklärt
werden konnten - je mehr neue Fragen gab es. Bei den Treffen der Arbeitsgemeinschaft,
am letzten Freitag im Monat (Bauernstube, Gasthaus Ausgehen möchte ich zunächst von der Glocke. Seit mindestens
6000 Jahren gibt es Glocken. Ungefähr seit dem Jahr 500 wird die
Glocke im Christentum als Kultgegenstand und zwar als Kirchenglocke im
Kirchturm verwendet. Unsere Altstadtkirche z. B. hatte schon Mitte des
Die Glocke wird im Lexikon wie folgt erklärt: Metallisches Schlaggerät
von becherförmiger Gestalt, das mit der Öffnung nach unten am
Boden des Bechers aufgehängt wird. Durch Anschlagen mit einem Hammer
oder durch den in der Mitte des Bodens befestigte Klöppel, der durch
Schwingen der Glocke wechselweise an der Wandung anschlägt ("Läuten"
der Glocke) wird ein kräftiges harmonisches Tongemisch erzeugt. Ich habe dies etwas ausführlich erwähnt, weil unsere Narro-Rollen ebenfalls gegossen sind und deswegen einen besseren, schöneren, ja edleren Klang haben als solche aus Blech. Durch die verschiedenen Größen, verschiedene Hersteller, verschiedenes Alter der Villinger Narro-Rollen, ergibt es an Fasnacht ein Geläute und Geschelle, das nicht nur etwas für das Ohr ist, sondern sogar unter die Haut gehen kann. In der Narren- bzw. Fasnachtsliteratur wird gern die Bezeichnung Schelle verwendet. Darunter wird meist eine kleine Glocke oder Klingel verstanden. Die Schelle wird dem Schall zugeordnet. Dazu wird auch die Maulschelle gerechnet (Ohrfeige daß es schallt). Eine weitere Schelle die wir gern vermeiden - ist die Handschelle ! Die erste schriftliche Erwähnung, daß in Villingen an Fasnacht Schellen getragen wurden, stammt aus dem Jahre 1728. Damals wurde ein Michael Kayser bestraft, "weil er nach Bettläuten in Masceren und Schellen über eine 1/4 Stunde auf der Gasse gewesen". Albert Fischer schreibt in seinem Heftle über die Villinger Fasnet
auch über das Geschell des Narros. Er macht u. a. folgende Aussage:
In Villingen nennt man heute die Schellen des Narros Rollen. Rollen leiten
sich von Roller ab. Im Gegensatz zum Glockenklöppel ist es bei der
Rolle ein kugelförmiger (meist mehreckiger) und freibeweglicher Gegenstand
der durch sein hin-und herrollen das Gehäuse, den Klang-körper,
zum Erklingen bringt. Das Erklingen d. H. Schütteln der Narro-Rollen
geht wie folgt (Ich versuche es in Worte zu fassen): Wie kommt die Glocke aber in die Fasnacht? Daß die Narren schon im Mittelalter Schellen trugen habe ich schon erwähnt und dürfte auch allgemein bekannt sein.Die Schellen galten damals als wichtiges Narrenattribut. In der Mitte des 15. Jht. gewannen sie noch mehr an Bedeutung. Später hielt man sie sogar, zumindest zeitweise, als das wichtigste Narrenattribut überhaupt. Wie so oft, so auch in der Wissen-schaft, kann kein genaues Datum genannt werden ab wann die Narren Schellen trugen. Das Quellen- sprich Bildmaterial aber deutete es schon im frühen 14. Jht. an. Eindeutige Dar-stellungen gab es jedoch im angelsächsischen Raum zu Beginn des 15. Jht. Dargestellt wurde auch hier ein Narr vor König David. Diese Glocken haben bereits das Aussehen unserer Glocken bzw. Rollen.War dies schon eine Verbalhornisierung der glocken- und schellentragenden Personen? Zur Bezeichnung Schelle gibt es auch viele und sehr alte Sprichwörter.
So z. B. über den Schellenkönig loben. Eine gute Schelle hört
man weit, eine böse Nachricht noch weiter.Das ist eine alte Schelle
(Weiber die keifen und schreien) Er hat Schellen am Arsch. Damit kommen wir zum eigentlichen Kern meines Vortrages. Der Narr trug und trägt immer noch Schellen, Glocken oder Rollen. (Bis auf wenige Ausnahmen z. B. Teufel, Butz, Strohmann usw.) Für den Narren beschränkte sich der Schellenschmuck zuerst auf eine kleine Schelle die an der Spitze der bis 1400 meist schlichten und zipfel-mützigartigen Narrenkappe (Gugel) hing, Bald danach nahm der Gebrauch der Narrenschellen inflationsartig zu. Im späten 15. Jht. wurde es üblich, neben der Narrenkappe auch die übrigen Teile der Torentracht, Gewandsäume, Ärmel, Beinkleider sowie Schnabelschuhe mit Schellen zu behängen. Ebenso der Gürtel. Dieser eignete sich übrigens sehr gut auch für größere Schellen (Kuh-Glocken). In Villingen trägt der Narro im allgemeinen 44 Rollen an 4 Riemen.
Müssen es 4 Riemen sein? Zwei oder sechs sind doch auch möglich?
Das Tragen von Glöckchen kommt aus dem Orient. Hier trug z. B. beim
jüdischen Volk der Hohepriester Glöckchen an seinem Gewand.
So konnten die Israelis mit ihrem Gehör verfolgen, wo der Hohepriester
im Allerheiligsten, das für das Volk nicht zugänglich und nicht
sichtbar war, sich jeweils befand. Im Hochmittelalter war im europäischen
Raum das Tragen kleiner Glöckchen, die "tintin nabula"
am Gewand einzig und allein dem Kaiser vorbehalten. Der Kaiser kam damals
vor dem Papst gleich nach Gott. Im Investiturstreit wurde aber dies geregelt.
Im 11. und 12. Jht. verflachte diese Sitte zum Modeobjekt. Zunächst
trug es der Adel, später auch andere Stände. Ein Sprichwort
der damaligen Zeit hieß: "Wo die Herren sind, da klingen die
Schellen".Im 14. Jht. setzte eine wahre Schellenflut ein. Ende des
15. Jht. hatten "vornehme" Die vornehme Welt hat sich also Ende des 15. Jht. endgültig von der mittlerweile als vulgär empfundenen Schellenmode distanziert. Nur die Narren trugen sie weiter und diese und nur ebendiese durften die Glöckchen weitertragen und machten sich damit halt lächerlich. Dies machte einem Narr nichts aus, im Gegenteil, er freute sich über die Aufmerksamkeit die man ihm schenkte. Dieser Wertewandel der Glöckchen dauerte ca. 50 - 100 Jahre. Im Mittelalter (mit entsprechender Denkweise) war nicht das Ding an sich entscheidend, sondern stets die jeweilige Bedeutung, und diese konnte und ist vom positiven Sinn ins Negative umgeschlagen. Inzwischen ist die Schelle automatisch ein Begriff des "Narrentums" und der "Fasnacht" geworden. Eine weitere Überlegung des Schellentragens muß angestellt werden bei den natürlichen Narren d. h. die Menschen die einen geistigen Defekt (en Kretz uf de Binestege) hatten. Diese konnten auch recht aufsäßig und gefährlich werden. Um die übrigen Menschen auf solche Personen aufmerksam zu machen, wurden diesen z. B. eine Schelle umgehängt. Ganz wichtig ist die Feststellung, daß im späten 12. Jht. ein Gemälde eines unbekannten Malers entstanden ist, das den Kampf der Tugenden gegen die Laster darstellt . Bei diesem Bild werden Schellen eindeutig als Laster dargestellt (Ausgelassenheit und Scherz). Noch früher, und zwar im 9. Jahrhundert, hatte die Schelle das Laster der Geschwätzigkeit dargestellt. Ein Bischof von Mainz (Hrabanus Maurus) verfasste einen alphabetischen Katalog, der die allegorischen Bedeutungen wichtiger Kernbegriffe der Heiligen Schrift erläuterte. Zur Schelle schrieb und verwies er auf das Paulus-Wort in der Bibel 1. Kor. 13,1: "Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete und hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich wie ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle". Die klingende Schelle zeigt genau das an, was gleichzeitig eines der wichtigsten Merkmale der Narrheit galt: Selbstgefälligkeit und das völlige Fehlen der Nächstenliebe (Egoismus). In der Folgezeit beriefen sich Theologen im Zusammen-hang von Schellen auf dieses allegorische Biebelzitat. Dieser Blick in die Vergangenheit der Kulturgeschichte zeigt einmal mehr den christlichen Hintergrund der Narrenidee. Wie wichtig die Schelle als Narrenattribut war, zeigt auch die bildende Kunst im Jahre 1494. In den zahlreichen Holzschnitten der Basler Ausgabe des "Narrenschiffs" wurde kein einziger Narr ohne Schelle dargestellt. Nach dem Barock veränderte sich an den Schellen der Narren nichts mehr. Warum die Schellen im Fastnachtsbrauchtum diesen Stellenwert bekamen,
konnte von der Wissenschaft geklärt werden. Seit dem 6. Jht. bis
zum 2. Vatikanischen Konzil, also mehr als 100 Jahre lang wurde jeweils
am Sonntag Quinquagesima der seit dem Hochmittelalter als Fastnachtssonntag
gilt, in der Lesung die bekannte Paulusstelle vom 1. Korintherbrief vorgelesen.
Jahr für Jahr wurde unmittelbar vor der Fastnacht darauf hingewiesen,
daß die Reden und Lobeshymnen usw. ohne die Liebe (sie schließt
die Wahrheit mit ein) - Süßholzgeraspel ist und nicht mehr
Wert hat als der Ton einer Schelle. Meist wurde dieses Thema noch in der
Predigt aufgegriffen. So hat auch Johannes Pauli, ein berühmter Prediger
im süddeutschen Raum insbesondere in Basel und Straßburg, so
auch in Villingen in den Jahren 1490 bis 1494, zu diesem Thema jeweils
am Fastnachtssonntag gepredigt. Heute hat sich das Wissen um die geistigen Beziehungen in denen die traditionelle
Formen der Fastnacht einmal gewachsen sind, weitgehend verflüchtigt.
Das Fest als solches ist nur noch terminlich, keineswegs aber mehr inhaltlich
an den Beginn der Fastenzeit gebunden. |