Volles Haus beim Schemeobed
Beliebte Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft
Villinger Fasnet lockt etwa 200 Fasnetbe-geisterte ins Münsterzentrum.
Höhepunkt sind rund zwei Dutzend Sieber-Schemen. Die
Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet rief und sie kamen auch dieses Jahr
wieder zahlreich ins Münsterzentrum in die Villinger Kanzleigasse 30: die
Freunde von Narro-, Surhebel-, Alt-Villingerin und Murbele-Masken.
Eröffnet wurde der kurzweilige Abend durch Manfred Hermle mit einem
kräftigen „Juh hu hu“, der auch souverän durch das rund dreistündige
Programm führte.
Karl Hoch ergänzte zu Beginn der Veranstaltung
seinen Vortrag aus dem Vorjahr zum Thema „Maskierung der Alt-Villingerin“
mit Informationen, die er übers Jahr noch zusammengetragen hatte. So
konnte mit einjähriger Verspätung ein altes Foto gezeigt werden, auf der
eine Alt-Villingerin den sogenannten „Spanischen Vorhang“ als
Gesichtsvermummung trägt. Anschließend ließ man eine Videosequenz laufen,
bei der man einen Narro sehen konnte, der zwar quicklebendig herumhüpfte
wie ein gerade flügge gewordener Vogel, aber in keinster Weise den
Narrosprung beherrschte. In den Augen von Karl Hoch ein massiver Fauxpas,
den man keinesfalls so hinnehmen dürfe. Er verwies auf alte Quellen, aus
denen hervorging, was einem Narro blühte, wenn er sich nicht korrekt
benehmen und den Narrosprung nicht richtig ausführen sollte: der Wurf ins
kalte Wasser der Brigach. Den interessantesten Beleg lieferte Hoch, indem
er Bezug auf einen Zeitungsartikel aus Konstanz aus dem Jahr 1880 nahm, wo
Villinger Fasnetfiguren bereits nachweislich um 1750 existent waren - eine
Quelle, die bisher unter den Fachkundigen nicht bekannt war.
Der
zweite Vortrag des Abends war zweigeteilt. Es ging hierbei um die
Malerwerkstatt Fischer-Maus-Frings.
Harald Schmidt brachte alle Besucher auf den gleichen Stand, als er die
Geschichte der Malerfamilie Fischer aus der Badgasse in aller Kürze Revue
passieren ließ. Mit der Übergabe des Betriebes an Erwin Maus, Jahrgang
1907, übernahm Karl Hoch das Mikrofon. Er berichtete von Erwin Maus, der
die Werkstatt seines Lehrmeisters Hermann Fischer nach dessen
altersbedingten Ausscheiden aus dem Berufsleben übernommen hatte. Erwin
Maus war Kriegsteilnehmer während des Russlandfeldzuges, kehrte aber
unversehrt aus der Kriegs-gefangenschaft zurück. Mit der Zeit verlagerte
er die Werkstatt vom Villinger Riet nach Bad Dürrheim. Maus, der seinem
Lehrmeister das Versprechen abnahm, genauso im Sinne der historischen
Villinger Fasnet Häser und Schemen zu bemalen, wie er es getan hatte,
wirkte bereits als junger Erwachsener als Berater bei der Erschaffung der
Figur des Bad Dürrheimer Narros beratend mit. Erwin Maus starb 1993, zuvor
hatte er seine Werkstatt an seine Tochter und deren Ehemann übergeben.
Hat das Lied nun drei, vier oder noch mehr Strophen? Auf eine
Spurensuche zum „Villinger Schunkellied“
nahm Harald Schmidt die Besucher mit. Er erklärte, wie es 1949 zur
Entstehung dieses Gassenhauers kam. Es waren die beiden Brüder Franz und
Karl Kornwachs, die für Text und Melodie sorgten. Das „Villinger
Schunkellied“ hat im Original tatsächlich fünf Strophen, doch gesungen
wurden bisher meist nur drei oder vier - in Ermangelung von Kenntnis,
Interesse oder Sachverstand. Zur Sicherheit wurden im Saal Kopien des
Originaltextes ausgelegt in der Hoffnung, in einem Jahr womöglich fünf
Strophen an der Fasnet zu hören. Franz Kornwachs war übrigens langjähriger
Zunftmeister der Narrozunft Villingen von 1949 bis 1972.
Das Leben
und Wirken des Steinhauers Wilhelm Sieber
und seinem Sohn Emil reflektierte Karl
Hoch in seinem zweiten Vortrag. Sieber alt und Sieber jung, wie die beiden
Handwerker in Fachkreisen oft genannt werden, stellten neben Grabsteinen
und steinernen Hausfassaden auch Masken her für die Villinger Fasnet. Ihr
Schaffenszeitraum umfasst ungefähr die Zeit von 1870 bis etwa 1950.
Insgesamt rund 25 Schemen von Vater und Sohn Sieber konnten von Karl Hoch
gezeigt werden, davon zwei Bubenschemen aus der Hand von Wilhelm Sieber
sowie eine Kopie der „Zacherlies“, ein Werk Emil Siebers. Besonders diese
wertvollen Sieber-Schemen erweckten das Interesse der Besucher bei der
sich anschließenden Schemenrunde. Speziell die glatten Schemen Wilhelm
Siebers stellen herausragende Meisterwerke der Villinger Maskenkunst dar
und sind ihrem historischen Vorbild des berühmten Ölmüllers Dominikus
Ackermann in Charakter, Ausdruck und Faszination ebenbürtig.
Der
Schwarzwälder Weltwanderer Eduard Haas
war Thema des letzten Beitrages beim Schemeobed 2024. Eduard Haas stammte
aus Wolfach im Kinzigtal. Er lernte als junger Bursche eine Rosina Reiser
aus dem „Nordstetter Hof“ kennen und lieben. Sie heirateten und bekamen
einen Sohn: Eduard junior. Doch Eduard Haas, zwischenzeitlich Wirt des
„Nordstetter Hofes“ zusammen mit seiner Frau, kam in diesem Beruf nicht
zurecht und ging zurück in seine Heimat, wo er einen Hausierhandel mit
Postkarten und Schwarzwälder Andenken betrieb. Mit einem großen Handkarren
bereiste er ganz Deutschland und das nahe Ausland. Seine Ehe wurde indes
geschieden, er war damit wieder frei und ungebunden. Auf einer seiner
Reisen durfte er sogar dem im holländischen Exil lebenden, ehemaligen
deutschen Kaiser Wilhelm II. die Hand reichen. Eduard Haas, der inzwischen
von seiner Familie verleugnet wurde, verstarb 1946 verarmt als Sozialfall
in Wolfach, wo er auch seine letzte Ruhestätte fand. Die aufmerksamen
Besucher erfuhren, dass dieser Eduard Haas eben der Großvater von Karl
Haas ist, einem der Gründer der Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet. Es
konnte sogar eine Scheme des „Geissen-Haas“, wie er genannt wurde, gezeigt
werden, die seit zwei Jahren als Einzelfigur die Wolfacher Fasnet
bereichert.
Eduard Haas
In der zweiten Schemenrunde konnten noch einmal
Masken allen Typs und aus allen Epochen der Villinger Maskenkunst gezeigt
und begutachtet werden. Fazit des gelungenen Abends: wo bekommt man so
viele Villinger Masken auf einmal zu sehen? Bei der Arbeitsgemeinschaft
Villinger Fasnet. Diese trifft sich regelmäßig an jedem ersten Freitag
im Gasthaus Jägerhaus zum Stammtisch. Weitere Infos auch unter
www.narro.de
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