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Karl Ludwig Keller, genannt „Bärle“

Hitt Obed vuzell ich eich vu omm, wo als kleins Kind mit grad emol sechs Johr scho Motter und Vatter vulore hett und Vollwaise war, aber durch de familiäre Zemmehalt i de Vuwandtschaft wieder neie Eltere kriägt hett.
Ich vuzell eich vu omm, der als Maa im beschte Alter si erschte Frau durch e schlimme Kranket vulore hett, und vu hitt uf morge ganz älloä mit zwei kleine Kinder do gschtande isch, aber wieder e neie Partnerin gfunde hett, die ihn und die beide Kinder mit offene Arm‘ ufgnomme hett, wie wenns nint Selbschtvuständlicheres gäe dät uf de Welt.
Ich vuzell eich aber auch vu omm, der weg dene Schicksalsschläg‘ trotzdem nit ufgäe hett, der sich de Ruusforderunge vum Lebe muetig entgegegschtellt hett, und fir den d‘ Villinger Fasnet so wichtig war, dass mer en scho zu Lebziite als Vorbild fir en gschtandene Narro agsenne hett.

Karl Ludwig Keller, ällene bekannt als de „Bärle“, isch am vierezwanzigschte-sechste- niezeähundert-sechse-zwongz z‘ Villinge uf d‘ Welt kumme. Siini Eltere waret de Konditormoäschter Wilhelm Schlaich und si Frau, d‘ „Rabewirtin“ Luise Schlaich, geborene Zanger.

Wo de „Bärle“ oä Johr alt war, isch siin Vatter gschtorbe. Sii Motter hett dann ihre fünf Kinder Emmi, Anni, Mathilde, Willi und ebbe de „Bärle“ miäße alloä großziehe. Doch des war nit gnueg, als es Schicksal kurz druf nomol zuegschlagge hett: die fünf Kinder henn durch e Tragödie au no ihre Motter vulore. Vu hitt uf morge waret fünf Kinder Vollwaise. Doch we sait mer: „S duet sich immer wieder mol e Dirre uf!“ Und so isch es kumme, dass die Schweschder vu de „Rabewirtin“ mit ihrem Maa, Professor Keller, vu Heidelberg, wo se gwohnt henn, wieder zruck gi Villinge zogge isch und älli 5 Gschwischder uf onn Rutsch adoptiert honn. Wer dät so ebbis hitt z‘ Dag no mache???

Für de „Bärle“ und siini Gschwischder hett ab dem Daag de zweit Doäl vu ihre Kindheit aagfange. D‘ Adoptiveltere honn dene fünf Kinder e scheene Kindheit und Jugendziit ermeglicht. Sie henn au defir gsorget, dass älli e Musikinschtrument honn lehre dirfe, und sie henn de Kinder so Tugende vumittlet we Fleiß, Ehrlichkeit, Arbeitswille und Nächschteliebe. Älli Gschwischder honn au durchweg en guete Schuelabschluss ghett, so dass se uf s‘ Lebbe guet vorbereitet worre sin.

Bevor de „Bärle“ e Studium hett aafange kinne, hett mer en anne viere-vierzg no i d‘ Wehrmacht iizogge. Er isch schließli i englische Gfangeschaft kumme. Vu dere hett mer en dann niezeä-hundert-sechse-vierzg entlasse. De „Bärle“ isch dann sofort gi Villinge zruck, wo ihn si Adoptivmutter fascht nimme kennt hett, well er i dene zwei Johr, wo er vu de Hoämet weg war, tatsächlich nomol zeä Zentimeter gwaase isch!
Niezeä-hundert-sibene-vierzg hett de „Bärle“ e Studium uf Lehramt a de Pädagogische Hochschuel z‘ Lörrach aagfange. Noch grad e mol zwei Johr hett er des erfolgreich abschließe kinne und isch dann sofort als Grundschuellehrer gi Komminge abgschtellt worre, wo er im erschte Stock vum örtliche Schlachthiisli e kleini Dienschtwohnung bewohnt hett. Si zweiti Schtell hett en dann gi Giisinge gführt. Als Lehrer war er zwar schtreng, aber gerecht. Wenn en Schiäler mol nit hett folge welle, no hett en de „Bärle“ gschnappt und bis zum End vu de Stund uf de Schrank gsetzt. Er hett sich nit ärgere oder gar a de Nas‘ rumführe lau - a dene Grundsätz hett er bis is hohe Alter draa fescht ghalte.
Wo de „Bärle“ berueflich wieder z‘ Villinge z‘ due ghett hett, het er anne zwei-e-seäzg d‘ Margret Münzer uus de gliichnammige Villinger Zimmerei ghiroote. S‘ Familieglück isch dann durch d‘ Geburt vu de Dochter Bärbel und vum Sohn Benno komplettiert worre, bis de „Bärle“ s‘ näschd Unheil hett verkrafte miäße: si Frau Margret isch an ere schlimme Kranket gschtorbe. Uf oä Mol isch de „Bärle“ mit siine beide Kinder alloä do gschtande. Doch er hett nit ufgäe, hett kämpft und noch vorne guckt. Im „Deutsch-Alpe-Verein“ hett er dann si zweiti Frau Bettina kenneglehrt, die er niezeä-hundert-oäne-sibbezg au ghiroote hett und die ihn und die beide Kinder mit offene Arm‘ ufgnomme hett. Zu dere Ziit war de „Bärle“ Konrektor a de „Buebeschuel“ und später dann Rektor a de „Grundschuel im Steppe“.

All dene Schicksalsschläg hett de „Bärle“ tapfer d‘ Schtirn botte, und wa ihm sicher debi gholfe hett, waret die höchschte Fiirtig: iseri Villinger Fasnet. De „Bärle“ isch schliäßli en Narro dur un dur worre. Als junge Kerle hett en de Meder-Ernscht uus de Färberschtroß fiife-zwonzg i sii Obhut gnomme und hett en i d‘ Tradition vu de Vilinger Fasnet iigführt. Für de „Bärle“ war vu Aafang a klar, dass er nu i d‘ Rolle goht, villiicht mol als Stachi im Blauhemd. D‘ Pelerine hett er jedoch rigoros abglehnt!
Mir sennet uf dem Bild im „Bärle“ si erscht Frau Margarethe, dann de Meder-Ernscht, d‘ Meder-Resi und ganz räets danne de „Bärle“.

De „Bärle“ hett sich de Tradtion vu de Villinger Fasnet vupflichtet gfühlt. Äll Johr a Dreikönig isch noch em Mittagesse e Weihnachtsliedli gsunge worre, dann hett mer d‘ Schallplatt‘ mit em Narromarsch ufglait und anschließend d‘ Schemme ufghängt. De „Bärle“ hett im Ganze fünf Schemme ghett: drei Glatti, en Surhebel und en Narrovater. Die Narrovaterschemme hett vu dene fünf Larvere die interessanteschte Gschicht‘:
Wo de „Bärle“ mol z‘ München im Urlaub war, hett er bin eme Spaziergang in ere Siiteschtroß e kleis Antiquitätegschäftli usfindig gmacht. Er isch niigange und hett in ere Eck e Villinger Schemme entdeckt. „Was willlsch für den Mockel Holz haben?“ hett er den Vukäufer gfroget. „Für dreißig Mark gehört die Maske ihnen!“ erwiderte dieser. De „Bärle“ hett de Geldbeitel uus em Hosesack gholt, hett die driißg Mark uf de Trese glait und isch mit dere Schemme unterm Arm zum Ladde nuus. Als de „Bärle“ dann zruck im Hotel war, hett er die Schemme nähers aaguckt und senne miäße, dass se tatsächlich uus de Werkstatt vum Villinger Schnitzer Friedrich Moser kunnt. Wa fer en Glückskauf!
Die Schemme isch hitt Obed do, sie hanget do vorne und ihr kinnet se i de anschließende Schemmerunde genauer aagucke.

Stichwort Tradition:
Immer am Fasnetsunntigobed hett de „Bärle“ en Wäschkorb mit siim Narrohäs grichtet und isch mit dem Kratte zu siim Freund, em Meder-Ernscht, i d‘ Färberschtroß, wo er den Korb deponiert hett. Bim Meder-Ernscht hett mer sich dann am frühe Fasnetmentigmorge troffe, wo mer gemeinsam gfrühschtückt hett. Während die meischte Narros um die Ziit ihre brennti Mehlsuppe g‘löfflet henn, hett es de „Bärle“ jedoch vorzogge, um kurz noch Sechsi scho a räets Schtickli Schwartemagge, Gewicht uugfähr 250 Gramm, mit ere Schiibe Buurebrot z‘ esse - dezue e Viertele Badische. So gschtärkt, hett de „Bärle“ uf d Gass‘ kinne.

De Bärle war schtets onner vu de erschte Maschgere, wo zum Beginn vum historische Umzug direkt noch em Narrovatter i d‘ Schtadt iigloffe isch. Well ihm s‘ Schträhle so wichtig war und er durch siin Beruef als Lehrer und Rektor zwangsläufig en huufe Liit kennt hett, wo am Schtroßerand gschtande sin, hett er ällene gschtrählt, die ihm ufgfalle sin. Do debi hett er jedes Schtrählg‘schpräch mit dem Satz aagfange: „Gelobt sei Jesus Chrischtus!“ Und wenn de gegeüber nit räet antworte hett kinne, no hett er sellen scho am Wickel ghett und gschtrählt wa gange isch. S war klar, dass de „Bärle“ durch selli intensive Schtrählerei im Umzug immer wiiter noch hinne durchgrutscht isch. Oftmols er isch dann praktisch als letzschte Narro zemmit mit em Wueschtvatter durchs Riettor gwacklet, wo die andere Maschgere scho lang durch waret.

Zu siire Ziit als Lehrer z‘ Giisinge hett er emol si Schweschter Emmi z Villinge bsuecht. De „Bärle“ isch sellmol mit siim Veschpa-Roller bi de Emmi vorgfahre, im Fueßraum e riiise Iikaufsdasch‘ mit eme Hundle drin. „Ja wa bringsch au du mir?“ hett d‘ Emmi ihren Bruäder gfroget. De „Bärle“ nit vulege: „Woäsch Emmi, z Giisinge henn se onn Dackel z‘ vill, des hett mi durret, und deswege bring ich den Dackel jetz zu dir!“ Seller Hund war ab sofort s neie Huustierle am Stöckerbergle und hett bi s‘ Biegers e scheeni Ziit vulebbe derfe.

Bim „Bärle“ sim beschte Kumpel, em Meder-Ernscht, hett sich emol en Bsuech uus Frankreich aakündigt. Da de Meder-Ernscht jedoch ko Französisch hett kinne, hett er de „Bärle“ gfroget, ob er nit übersetze kinnt wenn der Bsuech kunnt, denn de „Bärle“ hett guet Französisch schwätze kinne. Wo dann der Dag kumme isch und de Franzos‘ hett iitreffe solle, honn de Meder-Ernscht und de „Bärle“ e Uhrziit uusgmacht. Jetzt wars aber so, dass der Bsuech scho e Schtund friäner kumme isch we plant. De Taxifahrer hett bim Meder-Ernscht aaghalte, hett a de Huusdir gschellet und de Franzos‘ im Meder-Ernscht i d‘ Händ druckt. De Franzos kaa ko Deutsch, de Meder-Ernscht ko Französisch. Jetzt wa mache? Die Herre sin is Wohnzimmer, de Meder-Ernscht hett e Flasch Schnaps und zwei Gläser uus em Schrank ghollet und mit „Prost!“ und „A ta santé!“ war ab sofort jedes Wort überflüssig. Als dann de „Bärle“ zu de uusgmachte Ziit i de Färberschtroß iitroffe isch, hett er de Franzos‘ und de Meder-Ernscht uf em Sofa aatroffe: Arm-in-Arm und hackedicht. Quel grande malheur !

Noch eme wunderscheene Fasnetziischtig hett d‘ Bettina Keller ihren „Bärle“ im Schtädtle abghollet, und hett en welle homm begleite. Die beide sind dann Hand-in-Hand am Bahnhof vubei über d‘ Schneckebruck‘ in Richtung Adlerring gloffe. Uf de Höh vum Landratsamt isch de „Bärle“ uf oä mol uusgrutscht, isch uffs Gsiecht gflogge und hett sich am rechte Aug‘ e klassisches Veilchen ghollet.
Da am Äschemittwoch aber Schuel war, hett er eigentlich dert naa miäße, doch er hett sich so gschämmt und isch ersch zwei Dag später wieder gange.
Siin Uusrutscher hett er jedoch mit ere Sunnebrill kaschiert.


De „Bärle“ war e baar Johr au Mitglied im Zunftrot, wo er s‘ Amt vum Zunftballregisseur übernomme hett und somit vuantwortlich war fir de reibungslose Ablauf vum Ball. Er hett den Poschte einigi Johr sehr g‘wissehaft und akkurat uusgführt, bis er sich jedoch mit em erschte Zunftmoäschter überworfe hett und i de Folge uus em Rot wider uusgschidde isch.

Bim „Preislaufe“, sell war en Programmpunkt bim Zunftball, war de „Bärle“ en fleißige Teilnehmer. Mir sennet de „Bärle“ als Maschgere mit de Startnummer drei grad bi dem Preislaufe. Do debi war de „Bärle“ en Moäschter im Wortschpiel. So hett es sich mol ergebbe, dass e Dochter uus ere Villinger Handwerker-Familie en Maa namens „Weiß“ ghiroote hett. Schpäter hett se nomol ghiroote, und hett dann „Schwarz“ ghoäße. Genau selli Gschicht‘ honn de „Bärle“ und de Meder-Ernscht uffgriffe und henn des Thema bim „Preislaufe“ broot. On Dag schpäter isch es dann - wortwörtlich - „Schwarz-auf-Weiß“ i de Ziitung gschtande.

Stichwort Schträhle:
Dass es bim Schträhle aber au mol andersch rum lauft, dass nemmlich de Schträhler selber zum Schtrählopfer wird, isch naddirlich irgendwenn au emol passiert. Mir sennet uf de näschde Bilder, wie de „Bärle“ und siini Kumpels, de Meder-Ernscht und de Klaus Walz, vu zwei Maschgere gschtrählt werret.
Uf em erschte Bild siäht mer, we zwei Maschgere i d‘ Schtubbe kummet. Bi dene drei Kerli am Disch erkennt mer e leichti Veruusicherung.
No sait die oä Maschgere uff und hält im Klaus Walz siini Missetate vor:

…bis sich uf em dritte Bild die komplett‘ Strählszene in eme kollektive G‘lächter bi ällene Beteiligte ufflöst:

Jetzt honn ich während miim Vortrag ebbl vum „Bärle“ vuzellt, doch woher er seller Spitznamme hett, des will ich eich no kurz erkläre. De „Bärle“ und siini Gschwischer honnt als Kinder en huufe größere Stofftierle zum Schpille ghett we e Giraff, en Elefant, en Vogel und halt au en Bär. Und mit sellem Bär hett de „Bärle“ am liebschte gschpillt. Si übrigs dezue dau hett im „Bärle“ si diäfi und brummlige Schtimm, die er scho vu klei uf ghett hett. Und scho war de Schpitzname „Bärle“ gebore.

Niezeä-hundert-achte-aazg isch de „Bärle“ in Ruhestand iitrete, er war dann no uugfähr bis zu siim achtzigschte Geburtstag äll Johr im Häs. Nebem Wandere, Bergsteige, Schwimme und Schifahre hett er sich au no ehreamtlich i de Verkehrsschuel als Fachberater i de Uusbildung vu Kinder iibrot. Uf dem Bild senne mer de „Bärle“ mit siim Sohn Benno bim Wandere uff Mallorca.

Mit zunehmendem Alter isch de „Bärle“ schwer krank worre: de Dokter hett bi ihm Parkinson feschtgschtellt. De „Bärle“, der sii ganz Lebbe ebbl en starke Mensch mit ere widerschtandsfähige Natur war, hett bis zu siim Dod bi vollem Bewusstsein miäße miterlebe, wie de körperliche Vufall ihn mee und mee gschwächt hett. Siini letzschte Johr hett de „Bärle“ schließli als Pflegefall im Alteheim St. Lioba vubringe miäße.

Karl Ludwig Keller isch am vierzehnte-sechste-zweidaused-achtzehn z‘ Villinge gschtorbe. Mir vu de Arbeitsgemeinschaft wenn hitt Obed an den gschdandene Narro erinnere, dem d‘ Villinger Fasnet und s‘ Schträhle so elementar wichtig gsi sind. Mit freiet iis au, dass hitt Obed unter anderem si Witwe Bettina und si Dochder Bärbel unter iis weilet.

Ich schließ miin Vortrag über de „Bärle“ mit dem Satz, den er ebbl gsait hett, wenn er sii Schtrählgespräch, siin Vortrag, aagfange hett:

„Gelobt sei Jesus Chrischtus! - In Ewigkeit, Amen!“

Juh-hu-hu !!! Harald Schmidt, im Feber 2019