Anfang // Themen// Hubeobed 2000
 

Zum "Hube - Obed" hatte die Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet eingeladen. Manfred Hermle konnte 70 Interresierte begrüßen. Als erster Referent führte Karl Haas die Geschichte der Radhaube der Alt - Villingerin ein.

Der Bogen, woher das Wort Tracht kommt, nämlich von Tragen oder getragen werden, spannte er über die Kleiderordnung von Freiburg von 1667, Triberg von 1748 und Donaueschingen von 1757. Haas stellte auch klar, dass die Trachten auch immer wieder der eigenen Entwicklung unterliegen und sich somit verändert.
Klar ist jedoch, dass eine solche Tracht keinerlei Kommerzialisierung unterliegen sollte, wie es in letzter Zeit leider immer mehr der Fall ist. Die warnenden Stimmen sollten auch nicht als Meinung von "Ewiggestrigen" abgetan werden. Danach ging Karl Haas ans eingemachte. Laut einer Untersuchung von Dr. Maria Riffel aus dem Jahre 1940 lässt sich schliessen, dass die Villinger Radhaube, sich aus einem Kopftuch entwickelt hat. Die Kopftücher wurden im Laufe der Zeit mit allerlei Zierrat geschmückt.
Ab ca. 1550 entwickelte sich hieraus eine Haarhaube, die Kalotte. Im 17. Jahrhundert trugen dann die Frauen weiße Unterhauben und eine bunte, oft gold- und silberverzierte Kappe.Um 1750 entstanden die Schleifen- und Backenhauben. Die Backenhauben sehen wir heute noch in der Tracht von Donaueschingen, Hüfingen, Bräunlingen, Furtwangen und Neustadt. Auch in Villingen ist das Tragen der Backenhaube nachgewiesen. Ab 1800 findet man häufiger die Goldhauben (Kappe) die über den Rüschenhauben getragen wurde. Aus dieser Haubenform entwickelte sich die Bockel- oder Becherhaube und hieraus entwickelte sich weiter die Radhaube. Auf alten Bildbelegen, konnte nachgewiesen werden, dass in den 1820ger Jahren in
Villingen diese Becherhauben von erwachsenen Frauen getragen wurden.
Leider ist man heute oft der Meinung, dass eine Haube ohne Rad eine Kinderhaube ist, das nicht den Tatsachen entspricht. Klargestellt wurde auch, dass sich die Radhauben insbesondere im Bodenseeraum entwickelten und Villingen lediglich den äußeren Rand dieser Ent-wicklungsbereiche darstellt. In Villingen wurde zu Mitte des 19. Jahrhunderts die Radhaube zur Bürgermode. Die Mode galt in dieser Zeit nicht als Tracht. Erst mit Bildung des Trachtenvereins (1926) wurde diese Kleidung als Tracht bezeichnet. Leider ist das Tragen der Villinger Tracht mit Hauben ausgestorben (außer im hiesigen Trachtenverein). Die letzte alte Goldhaube soll 1868 von einer Braut zur Hochzeit getragen worden sein.
Alte Hauben wurden dann lediglich noch zu offiziellen Anlässen wie zum Empfang des Großherzogs, anlässlich der Industrie- und Gewerbeausstellung von 1907 getragen. Hier waren es vier Ehrendamen.

Im zweiten Teil seines Vortrages ging dann Karl Haas, mit einem äußerst profundem Wissen auf die Herstellung der Hauben ein. So war zu erfahren, dass bis Anfang des 20. Jahrhunderts die Hauben von auswärtigen Haubenmacherinnen bezogen wurden. Oft kamen die Borten für die Hauben aus den "Leonischen Werken" aus dem Großraum Nürnberg. Die schwarze Haube (Chenille) entwickelte sich im 19. Jahrhundert zur Standarthaube. Diese waren mit vier Bändern versehen. Durch die Industrialisierung sind leider die Trachten nach und nach verschwunden, da durch die wechselnden Herstellungen der Stoffe, auch die Mode öfters wechselte. So kam dann ab 1870 auch in Villingen das Tragen der Radhaube aus der Mode.
Wie oben schon angemerkt, wurden die Hauben nur noch zu Repräsentationszwecken getragen.
Nach dem ersten Weltkrieg drängten die Frauen zur Fasnet. Hier beteiligten sich die Frauen als
Alt-Villingerin. Diese zeichneten sich durch das Tragen von Wachs- oder Stoffschemen aus, und waren somit wie der Narro anonym. In den 30ger Jahren, bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges wurden die Hauben hauptsächlich in den Werkstätten Häberele/Harter (Harterpfau) und Schweinert hergestellt. Nicht zu vergessen die Werkstatt Weirather/Flaig.
Nach dem zweiten Weltkrieg machte sich dann Frau Lina Walz einen Namen als Hauben-macherin. Lange Zeit war Frau Walz die einzige Haubenmacherin in Villingen. In diese Fußstapfen stiegen dann Frau Heike Lang und Frau Jutta Grothaus. Diese Haubenmacherinnen lehnen sich zum Teil an alte Vorbilder an und entwickeln jedoch auch ihren ureigensten Stil, das zu einer großen Bereicherung führt. Die Arbeiten der beiden Haubenmacherinnen, werden im wesentlichen in Handarbeit hergestellt (geklöppelt, gehäkelt oder als Hohlspitze) und sind als echte Kunstwerke zu bezeichnen. Leider ist es so, dass aus Kostengründen immer mehr Hauben zu sehen sind die aus synthetisch hergestellten Borten (Lorex) bestehen. Dies hängt sicherlich auch mit einer gewissen inflationären Entwicklung der gesteuerten Brauch-tumsfasnet in Villingen zusammen. Zum Leid immer mehr Quantität als Qualität.
Zum Schluß des Vortrages von Karl Haas verschaffte dieser den gespannten Zuhörern noch einen Überblick über Materialien, Muster und Ornamente, sowie Kosten der Radhaube. So konnten die Zuhörer erfahren, dass eine handgeklöppelte Borte aus guter Qualität einen Materialpreis von ca. 100 DM verschlingt.
Für eine Haube werden zwischen 8 bis 10 Metern gebraucht, sodass der Materialwert für eine Haube schon zwischen 800 und 1.000 DM liegt.

Nach diesen hochinteressanten und fachlich äußerst gut recherchierten Vorträgen hatten die Besucher die Möglichkeit die aufgebaute Haubenausstellung in Augenschein zu nehmen. An dieser Stelle sei allen Bürgerinnen und Bürger gedankt, die die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet unterstützen.

So konnte die Besucher, neben den insgesamt 44 Hauben bester Qualität, die wahrscheinlich älteste Radhaube (Goldhaube als Plätthaube) von 1820 begutachten. Leider ist die/der Hersteller unbekannt.
Als weiteres Bonbon war eine Chenille-Haube, hergestellt Ende des 19. Jahrhunderts zu sehen. Diese wurde von Josephine Popp (den Villingern besser bekannt als Poppe-Fine) bis in die 1980ger Jahre
getragen. Von der Familie Heizmann wurde eine sogenannte Bortenhaube aus dem frühen 19. Jahrhundert zur Verfügung gestellt. Weitere alte Hauben waren zu bewundern, so eine Haube aus Nähspitze der Fa. Schilling um 1920 und eine "Spinnenhaube" (stilisierte Blumendarstellung) aus der Werkstätte Weirather um 1925 hergestellt. Weiterhin konnte die "Harter-Pfau" - Haube aus der Werkstätte Häberle/Harter begutachtet werden. Erwähnenswert waren die geklöppelte Becherhaube von Heike Lang aus dem Jahre 1999 und die Ornamentenhaube aus Hohlspitze von Frau Jutta Grothaus aus dem Jahre 1995.

Nach der Pause wurde dann ein weitere Vortrag zum Thema "Tracht und Fasnet" angekündigt.
Karl Hoch der für diesen Part verantwortlich zeichnete fesselte die Besucher mit Thesen, ob eine Tracht an der Fasnet überhaupt auftreten soll. So ging er als Erstes auf die Argumente gegen das Tragen der Tracht an der Fasnet ein. So zitierte Hoch, Schriften und Stellungnahmen aus dem Bereich der Trachtenpflege. Die Haltung hierzu ist eindeutig. Zitat: " Das Tragen von Trachten währen der Fasnet ist unerwünscht. Mitgliedern des Trachtengaus Schwarzwald droht bei einem Verstoß der Ausschluß aus dem Verband" (Vergl. Schwäb.-Alem. Narrenbote 1995). Weiter wurde von Karl Hoch, Herr Schill Präsident für Heimat und Volksleben zitiert. Dieser äußerte sich dahingehend: " Tracht und Häs haben verschiedene Funktionen". Es wurde weiterhin berichtet, dass während der Nazidiktatur bestimmt wurde, dass sich Tracht und Häs nicht vermischen sollen.
Das schien jedoch die Villinger nicht zu beeindrucken. So erschien im "Tagblatt am Wochenend"
von 1937 das Zitat: " Mag man über die Benützung der alten Tracht an der Fasnacht denken wie man will, ein schönes Paar sind sie, der Narro und seine Alt-Villingerin". Weiter erläuterte
Karl Hoch, dass es ohne die Fasnet viele Trachten gar nicht mehr geben würde. So zitierte er
Albert Fischer, von 1922: ".... dass als hauptsächliche weibliche Maske die Alt-Villingerin
vertreten ist. Es seien in vielen Häusern noch große Rad- und kleine Spitzenhauben zu finden,
wie sie früher in Villingen getragen wurden. Ein buntfarbenes Tuch oder den achteckigen
Wienerschwal (Wienerschwal ist kein Schreibfehler, sonder wurde so bezeichnet) über die Schulter geschlagen, die Haube aufs Haupt und eine Larve vor das Gesicht gebunden, stellt die Alt-Villingerin eine einfache und bescheidene, aber um so schönere und vor allem billige Maske dar..." Fischer beklagt weiter: "...dass die Rad- und Spitzenhauben immer mehr abgängig wären, weil die meisten Brautkleider in weiß ausgeführt und so die schwarzseidenen Kleider immer mehr verschwinden würden".
Somit ist klar, dass ohne die Fasnet auch die Villinger Frauentracht nicht überlebt hätte. Schön
wäre es jedoch wenn die Alt-Villingerinnen, die heute in Begleitung eines Narros an der Fasnet
zum Strählen unterwegs sind, sich besinnen und ebenfalls "verlarvt" laufen und somit sich selbst und dem begleitenden Narro die Anonymität gewährleisten würden.
Als weiterer Aspekt führte Hoch an, dass die Maskierung der Alt-Villingerin, Riesenvorteile hätte. Es ist bekannt, dass viele Trachtenträgerinnen sich freuen, Tracht zu tragen, aber eben nicht in Villingen. Treten sie hier in Villingen unter dem Jahr auf, so werden sie mit Rufen wie "Narri-Narro" oder "Giizig-Giizig..." provoziert. Offensichtlich ist dies so, denn dieser Aspekt wurde von Mitgliedern der Trachtengruppe mit spontanem Beifall quittiert. Insoweit ist die Maskierung das Unterscheidungsmerkmal zwischen der Fasnet und den Festauftritten.

Fazit des Vortrages:

Die Alt-Villingerin ist eine aus unserer Fasnet nicht hinweg zudenkende, wichtige Fasnetfigur.
Durch das Tragen der Tracht an der Fasnet besteht keinerlei Gefahr des Brauchtumsmißbrauchs.
Die Alt - Villingerin in Begleitung eines Narros sollte grundsätzlich vermummt sein, damit
beim Strählen die Anonymität gewährleistet ist. Auch dies wurde von den Anwesenden kräftig mit Beifall belegt.

Nach zweieinhalb Stunden konnte der informative Abend, der durch Dias anschaulich unterstützt wurde, von Manfred Hermle beenden werden. Er wies darauf hin, dass am 2.Februar 2001 von der Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet wieder ein "Scheme-Obed" ebenfalls im Nebenzimmer des Gasthauses Jägerhaus, veranstaltet wird.

Alle Besucher waren sich einig, dass dies ein höchst interessanter und informativer Abend gewesen ist und das solche Vorträge wiederholt werden sollten. Die Aussage eines Besuchers unterstreicht die Qualität des gelungenen Abends:
" So etwas habe ich so lang ich Lebe und ich bin auch schon 65Jahre alt, in Villingen noch nicht
gesehen und gehört. Dies war ein einmaliges Erlebnis."