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Traugott Wöhrlin

Schemeobed 11.02.2011

De Säger-Richard

A de Schemeobed schwätzt mer bekanntlich nit nu vu Scheme, sondern meistens au noch über weitere Fasnet-Theme wie Häser, manchmol au über Schemeschnitzer oder Häsmoler und andere Liit, wo mit de Villinger Fasnet irgendwie verbunde waret. Un so e Person isch - oder vilmeh war - de Säger-Richard.
Dass mer hit obed a den erinneret, hät dodemit z'tue, dass es nu no wenig Liit gibt, wo n'en guet kennt hond. Un sel isch glaub' au de Grund, worum mer g'mont hät, ich sott den Erinnerungsbericht mache, weil ich i de 60er un 70er Johr viel mittem zammewar un ihn dodebei ganz guet kenneg'lern han.
Damit's klar isch, vu wem mer schwätzt: S'goht nit um de Eiermaa, wo als immer Eier mit zwei Dotter verkauft hät. Seler hät zwar au Richard g'heißen un war de Sohn vum alte Säger-Richard. S'ka sii, er lebt sogar noch. Aber mit de Fasnet hät seler Eiermaa im Gegesatz zu sim Vatter nit viel z'tue g'het .

De Säger-Richard senior war vu Beruf eigentlich Zimmermann, aber g'schafft hät er bi de Bahn. Und weil's in Villinge zu selere Ziit vil Iisebähnler gebe hät, hät er au extrem vil Bekannte g'het un fascht di ganz Stadt kennt. Umkehrt war er au selber mindeschtens bi alle alte Villinger un driber nuus als Original bekannt. Ich glaub nit, dass es domols en Villinger Narro gebe hät, wo no nie ebbis vom Säger-Richard g'hört g'het hät.

Kenne g'lernt hab ich ihn Mitte der 50er Johr, wo ich oft beim Moler Fuhrer i de Werkstatt war, un selli war jo g'rad zwei Hiiser nebem Säger-Richard sim Huus i de Färberschtroß. Der war so ebbis wie en Stammgast bis Fuhrers, vor allem, wenn's uf d'Fasnet zuegange isch un dert e Portion Scheme zum Fasse a de Wand g'henkt sind, wo er hät könne sin Senf dezuegä.
Ich hab en am Aafang genau so wie die meischte andere Leut für en zimlich schräge Vogel g'halte. Un wahrscheints war er des au. Er hät nie e Blatt vor's Muul gnomme, un was er g'sagt hät, war meischtens recht derb, so, wie de ganz Maa. Erst später han ich deno g'merkt, dass er in Wirklichkeit en zimlich belesene und interessierte Mensch war, vor allem, wenn's um d'Villinger G'schicht gange isch un dert ganz z'vorderscht um d'Fasnet.

De Moler Fuhrer war des natürlich au, un deswege hän die zwei oft mitenand über d'Fasnet g'fachsimplet. Debei hät de Säger vor em Fuhrer en zimliche Respekt g'het, obwohl seler zum Root bi de Narrozunft g'hört hät un folglich i de Sproch vum Säger on vu de "Kappemänner" war. Vu de meischte vu dene hät de Säger nämlich nit vil g'halte un behauptet, manche tätet sich dert iibilde, si hettet d'Fasnet erfunde un wäret die einzige, wo uf dem Gebiet ebbis wüsstet. Debei wäret die meischte vunene no nit emol gebore g'si oder hettet no i d'Hose g'macht, wo er scho längscht en g'schandene Narro war. B'sunders übel hät er dene glaub ich g'nomme, dass die die freundliche Suribel, wo domols i d'Modi kumme sind. so toll g'funde hond. Er war de Meinung, dass en Surhebel ebe en Suribel un kon Lachribel sii sott, en uuzfridene, grätige un rääse Typ also,- mindeschtens aber en kritische Schpötter. Dass es Strähle mit sonere Scheme schwieriger wär wie mit ere Glatte, hät en überhaupt nit g'schtört. Im Gegeteil ! Für ihn waret d'Suribel sowieso nu ebbis für g'schandeni älteri Maschgere un nit für junge ohne Erfahrung.
Dass mini zwei erschte Suribel, wo ich probiert han, einigermaße des troffe hond, was er sich unter dem Schemetyp vorg'schellt hät, sel war glaub ich de Grund, dass er glei vu Aafang aa a minere Schnitzerei interessiert war un mich mit immer neue Fotos als Vorschläg für Suribel versorgt hät. Als junge Kerli han ich des natürlich toll g'funde un lang nit g'merkt, dass des au problematisch sii könnt. Aber sel isch e ander Thema un g'hört nit hier her.

Bi de Frog um d'Häser un wer als Maschgere zu wem g'hört, war de Säger i sim Element un bsunders penibel. Ich erinner mich no ganz genau, wo ich selber um 1956 oder 57 s'ersch mol is Häs gange bin. Mer hät sich is Fuhrers Werkstatt aazoge, un d'Frau Fuhrer hät sich debii mit mir als Aafänger viel Müeh gä. Aber de Säger-Richard war halt au debii un hät jede Kleinigkeit kontrolliert : Wie mer sich richig uuspolsteret, so, dass mer e guete Statur abgibt un d'Rolle nit drucket, wie mer d'Hose unne a der Schue richig bindet, wie mer d'Rollerieme richtig sortiert un s'Fulard a de reächt Platz na macht un schließlich, wie mer d'Scheme richtig bindet. Uf em Dielebode vus Fuhrers Werkstatt han ich sogar mieße de Narroschritt vorführe, damit mer sieht, ob ich's au richtig mach.

Uf jede Fall war's ihm wichtig, dass ich als junge Schnitzer älle Details vu de Villinger Fasnetstradition kenne mießt, weil mer e Tradition nu dann am Lebe erhalte un anere rummache könnt, wemmer si devor bis is hinterscht Detail kenne tät. Mer könnt sage, er hät sich als e Art Fasnet-Lehrer empfunde, so ähnlich wie de Moler Fuhrer au, un übrigens nit nu mir gegenüber.
Er hät gern g'schwätzt, un war deswege mit sim große schwarze Howaward-Hund ab und zue au i mim Elterehuus in Klosterring. Mi klei Teechterle isch als ganz schnell unterm Tisch verschwunde, wenn er is Zimmer niikumme isch, wil er so "raumfüllend" war un so luut g'schwätzt hät. Anderschrum war ich glaub nu oomol bei ihm dehom, wo er mir si kuriose Sammlung vu Scheme un anderi Fasnetsutensilie hät welle zeige. Si Frau hät's als nit so gern g'sene, wenn er fremde Liit is Huus broocht hät.

Lange Vorträg halte war allerdings nit si Sach. Er hät's meh mit kurze Aaregunge un Ufforderunge g'het, un die hän meischtens mit dem Satz aag'fange: "du sottsch emol...".
Zum Beispiel hät mer's mol vum Narro g'het un wo der eigentlich herkunnt. Do hät er bloß g'mont, ich sott eifach emol weng ebbis über d'italienisch Commedia dell'arte nochlese un au über de Wiener Hanswurst. Deno wüsst ich, worum der Villinger Narro un au sini Kollege uf de Baar Hansel und nit Fritzel heiße däätet. Un de Unterschied zwische re glatte Narroscheme und eme Suribel oder eme Murbele tät ich deno au glii kapiere.

Natürlich han ich dodruf älles g'lese, was ich über die italienisch Commedia han kriege könne un bald g'merkt, was er g'mont hät: Dass nämlich de italienisch Arlecchino bzw. de deutsch oder der Wiener Hanswurscht mit sim glatte G'sicht sozusage de Urgroßvater vu unserm Narro war, und die alte Charakterfigure im Stroße-Stegreiftheater d'Urahne vum Suribelstachi un später vum Murbele. De Moler-Fuhrer hät als nu g'lacht, wenn ich im Säger-Richard sine G'schichte nit sofort kapiert han un hät mer's geduldig nochemol erklärt.

De Säger selber isch als a de Fasnet am liebschte als Suribel-Stachi im Häs g'si, meischtens ganz vornehm mit em schwarze Umhängli unterem Narrokrage un nu selte mit em Blauhemd. Er hät genau g'wisst, dass er eigentlich au ohne Häs un Scheme scho en fertige Suribel-Typ war un im Grund nit als Narro taugt hät. Wo n'er sini Murbele-Dame hergnomme hät, weiß ich nit, aber jedefalls hät er immer oni am Ärmel g'het, wo genau zu nem basst hät. Ebbis anders wär für ihn nie in Frog kumme, wil er g'funde hät, s'wär a de Fasnet fasch jedi Lumperei erlaubt, solang mer ordentlich aazoge un mit em richtige Mäschgerli-Typ unterwegs wär un mer nit Sache zammeduet, wo im Narretheater nit zamme g'höret.
Strähle war für ihn wie Theaterschpile un s'Wichtigscht a de Fasnet. "Bloß im Zug laufe", war für ihn nu e habli Sach. Aber au sel hät solle theatermäßig sii un dodrum absolut korrekt.

Oomol allerdings hät er statt eme Murbele uubedingt e Altvilligerinne-Mäschgerle bruucht. Un wil er domols dodezue zwor e net Maidli gfunde aber ko Altvillingerinne-Scheme g'het hät, han ich ihm messe oni schnitze. S'war mi erschti un b'sunders schön isch sie nit worre. Aber mer hät si könne als Altvillingeri akzeptiere. De Grund defür war, dass de Säger in sellem Johr us em Nochlass vum Becker-Haas hät kenne der Ölmüller kaufe, soweit ich's beurteile kaa, oni vu de schönschte Scheme wo de Dominik Ackermann g'schnitzt hät. Dass es de Säger-Richard nit hät verhebe kenne, a de erschte Fasnet denoch mit selere Scheme stolz wie en Spanier uf de Gass rum z'laufe un sich bewundere z'lau, sel kaa mer verschtau, wenn mer en kennt hät - au wenn er eigentlich vu sim grobe Temprament her nit de Typ für en Narro war.

Übrigens: dass er mit selere allererschte Altvillingerinne-Scheme vu mir doch nit so ganz z'fride war, han ich später dodra g'merkt, dass er mir bald druf e Foto vu de Brigit Bardot brocht hät un g'mont, ich soll doch emol so oni probiere. Mi zweite Altvillingerinne-Scheme isch also deno tatsächlich e flotts Fraueg'sicht mit Sexappeal wore, wenn au ko Brigit Bardot. Wo seli Scheme g'landet isch, weiß ich nimme. Ich hab si nie meh g'sene.

De Säger-Richard hät immer originelle Iifäll oder Sprüch parat g'het. Ich hab bloß die meischte devu vergesse. Aber wenn ich jetzt als am Fasnetmäntig unsern Umzug aaguck, no stell ich mir manchmol vor, er wär au debii un tät sini Kommentare abgebe. Ich mon deno als, ich tät en höre, wie'ner zumene flotte Narro mit eme alte Morbili am Ärmel sage tät:
"Los emol Maschgere, des isch jo scho reächt, dass du dich um die alte Wiiber kümmeresch, aber merksch nit, dass des Murbele a dim Ärmel so gar nint mit somene stolze Lackaff wie du aafange kaa?".

Un zu selem Murbele tät er wahrscheinlich gage: "Häsch denn no nit g'schnallt, dass din g'schnigelte Narro mit sim elegante Sebel ällewiil nu Auge für so jungi Altvillingerinne-Mäschgerli hät. Bimene alte Suribel-Stachi wär so oni wie du besser ufg'hobe, au wenn er no so en grantige Typ wär".
Waner zu dene Altvillinger Maidli sage tät, wo ohni Scheme mit ihrem Narro doher stolzieret oder wo mit ere Scheme vor em G'sicht vorne ruus bim Narresome mit de Scheesewägili marschieret - so wie n'ich s'letscht Johr zwei g'sene hab - sel ka mer sich vorstelle.
Un wenn ich als so en Suribel-Narro sieh - mittlerweil giit's jo gnueg vu dene - fallt mir immer die G'schicht ii, wo ich i de 70er Johr selber mol als Narro mit Rolle und ere Suribelscheme uf de Gass unterwegs war. Er hät mich domols mitleidig aaguckt und g'mont: " Maschgere, ich mon bi dir dehom, hät's z'wenig Spiegel. Wenn dich nämlich dodrin mol aagucke dätsch, no könnt'sch merke, dass de mit dim grantige Lätsch no lang kon stolze Narro bisch, au wenn dir Rolle naaduesch un monsch, wege dene wär'sch scho on. Ä kleine Pelerine oder au e Stachihemd tät dir besser schtau. Un wenn de wieder emol is Häs gosch, no überlegsch der vorher, als wa du laufe wit".


Au wenn er's sunsch nit so g'nau g'nomme hät, bi de alte Traditione war de Säger Richard gnadelos. Für de Maschgere-TÜV hät mer sich eigentlich kon bessere kenne vorstelle als ihn. Aber ich bin mer sicher, dass er sellen Job nie hät welle mache, wil er so gar nint vunere Amtsperson a sich g'haa hät un im Gegeteil immer für irgend e Lumperei guet g'sii isch. Zum Beispiel, woner im Moler Fuhrer mol - wenn au vergeblich - i de Ohre g'lege isch, er sot doch emol uf oos vu dene Häser, woner als g'molt hät, hine uf d'Hose am richtige Platz e Posthörnli mole zum Pupse (so ä Häs, hät er behauptet, het's früher tatsächlich mol gebe)… oder woner emol z'samme mit e paar andere Maschgere hät welle zum Strähle gau miteme ziemlich scharfe Suribel. Als Narro mit Rolle un so, wär des natürlich nit gange. Damit's bim Strähle aber trotzdem schepperet, hät er sich eifach d'Rollerieme unter's Blauhemd nadue. Wie's deno uusgange isch weiß ich nit, wil ich bei selere Strählerei deno nimme debei war.

So war de Säger Richard e originelle Mischung us grobem Klotz, schräge Iifäll, mit eme enorme Traditionswisse un vil Mutterwitz, en hundertprozentige Villinger Maschgeretyp ebe.
S'wär schad, wemmer e so en Maa eifach vergesse dät. Un drum bin ich au dankbar, dass mer heut Obed hät anen erinnere welle un dass ich han derfe des verzelle, was mir no so vunem im Gedächtnis blibe isch.